28.12.2006 Strafrecht

OGH: Hat das erkennende Gericht den Angeklagten - wenngleich ohne Abgehen von dem der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt - statt der im Anklagetenor genannten Tat einer anderen schuldig erkannt, muss mit Blick auf die Fairness des Verfahrens zugunsten des Angeklagten dem Schutzzweck des § 262 StPO zuvor entsprochen worden sein


Schlagworte: Strafprozessrecht, Nichtigkeit, andere Tat, Vorbereitung der Verteidigung
Gesetze:

§ 262 StPO, Art 6 Abs 3 lit b MRK, § 281 Abs 1 Z 8 StPO

In seinem Erkenntnis vom 09.11.2006 zur GZ 15 Os 85/06y hat sich der OGH mit § 262 StPO befasst:

Der Angeklagte wurde abweichend von der auf das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls gerichteten Anklage, des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB schuldig erkannt, ohne vorher gemäß § 262 StPO über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt gehört worden zu sein.

Dazu der OGH: Zwar steht die strikte Einhaltung der von § 262 StPO beschriebenen Form als solche nicht unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 8 StPO. Doch hat das erkennende Gericht, das den Angeklagten - wenngleich ohne Abgehen von dem der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt - statt der im Anklagetenor genannten Tat einer anderen schuldig erkennt, nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung mit Blick auf die Fairness des Verfahrens zuvor dem Schutzzweck des § 262 StPO zu entsprechen, um so dem Angeklagten ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu schaffen (Art 6 Abs 3 lit b MRK). Da dies verabsäumt wurde, ist das Urteil insoweit mit Nichtigkeit nach Z 8 behaftet und eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden.