09.08.2007 Strafrecht

OGH: Das Diversionshindernis der "schweren Schuld" iSd § 90a Abs 2 Z 2 StPO ist vom Strafbefreiungshindernis des "schweren Verschuldens" iSd § 88 Abs 2 StGB strikt zu unterscheiden


Schlagworte: Strafprozessrecht, Diversion, schwere Schuld
Gesetze:

§§ 90a ff StPO, § 88 StGB

In seinem Erkenntnis vom 30.05.2007 zur GZ 15 Os 42/07a hat sich der OGH mit der Diversion und der schweren Schuld befasst:

Der Bezirksanwalt beantragte die Bestrafung der Katerina B***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, weil diese als Radfahrerin die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit außer Acht gelassen, deshalb die die Fahrbahn am Schutzweg überquerende Fußgängerin Maria W***** niedergestoßen und der Genannten dabei eine leichte Körperverletzung zugefügt habe. Die geständige Beschuldigte ersuchte um Durchführung einer Diversion und erklärte sich mit der Zahlung einer Geldbuße einverstanden. Der Bezirksanwalt trat einem diversionellen Vorgehen entgegen, weil (seiner Ansicht nach) von einem schweren Verschulden der Radfahrerin auszugehen sei.

Dazu der OGH: Das Diversionshindernis der "schweren Schuld" iSd § 90a Abs 2 Z 2 StPO ist vom Strafbefreiungshindernis des "schweren Verschuldens" iSd § 88 Abs 2 StGB strikt zu unterscheiden. Während das "schwere Verschulden" ganz spezifisch auf schwere Verwirklichungen gerade des § 88 Abs 1 StGB zielt, ist die "schwere Schuld" auf den Gesamtbereich der für Diversion prinzipiell offenen Delikte zu beziehen. Bei Delikten mit geringeren Strafobergrenzen (hier: § 88 Abs 1 StGB mit einer solchen von drei Monaten) ist angesichts des vom Gesetzgeber solcherart zum Ausdruck gebrachten geringeren sozialen Störwertes daher die Schwelle für die Bejahung des Vorliegens einer nicht als schwer anzusehenden Schuld iSd § 90a Abs 2 Z 2 StPO niedriger anzusetzen als bei einem mit einer höheren Strafe bedrohten Vergehen oder Verbrechen. Hieraus folgt, dass die Fälle "schweren Verschuldens" iSd § 88 Abs 2 StGB in aller Regel keine "schwere Schuld" begründen, vielmehr ist davon auszugehen, dass beim Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB eine diversionelle Erledigung aufgrund Erreichens des in Rede stehenden Schuldgrades überhaupt nur in besonderen Ausnahmefällen nicht in Betracht kommt. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn ein außergewöhnlich gravierender Sorgfaltsverstoß vorliegt, der einen Schadenseintritt mehr als wahrscheinlich erscheinen lässt, wobei die Tat mit einem erheblichen sozialen Störwert einhergehen muss.