14.10.2007 Strafrecht

OGH: Bleibt eine nicht den Standards klarer und ohne weiteres nachvollziehbarer Begründung entsprechende zweitinstanzliche Haftentscheidung vom Empfängerhorizont des davon Betroffenen undeutlich, kann dieser den Darstellungsmangel erfolgreich mit Grundrechtsbeschwerde geltend machen


Schlagworte: Strafprozessrecht, Grundrechtsbeschwerde, Fortsetzung der Untersuchungshaft, Begründungspflicht
Gesetze:

§ 10 GRGB, § 281 Abs 1 Z 5 StPO, § 179 Abs 4 Z 4 StPO, § 182 Abs 4 StPO

In seinem Erkenntnis vom 16.07.2007 zur GZ 13 Os 81/07x hat sich der OGH mit der Grundrechtsbeschwerde und der Untersuchungshaft befasst:

Das OLG hat sich damit begnügt, die Sachverhaltsannahmen der Untersuchungsrichterin im Konjunktiv zu zitieren und diese - weitgehend ohne Herstellung eines Zusammenhangs zur dort vorgenommenen Faktenbezeichnung - teilweise zu kommentieren, ohne jedoch zu irgendeiner der dem Beschuldigten angelasteten Taten eine klare und für Dritte nachvollziehbare Aussage darüber zu treffen, von welchen eigenen Sachverhaltsannahmen es ausging oder - im nächsten Schritt - auf welchen konkreten Beweisergebnissen diese basieren.

Dazu der OGH: Nach § 179 Abs 4 Z 4 StPO (§ 182 Abs 4 zweiter Satz StPO) hat jeder Beschluss eines OLG über die Fortsetzung der Untersuchungshaft "die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht" für den Gerichtshof zweiter Instanz ergibt, zu enthalten. Das bedeutet, dass mit Bestimmtheit anzugeben ist, welcher - in Hinsicht auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit als begründet angesehenen strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien, also Tatbeständen; vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO) rechtlich entscheidend beurteilte - Sachverhalt angenommen wurde (sogenannte Feststellungsebene) und klarzustellen ist, auf welchen ganz bestimmten Tatumständen (Beweisergebnissen, sogenannten erheblichen Tatsachen) diese Sachverhaltsannahmen über die sogenannten entscheidenden Tatsachen beruhen (sogenannte Begründungsebene). Geschieht dies nicht, liegt eine Grundrechtsverletzung vor. Insoweit unterscheidet sich die Begründungspflicht für Haftbeschlüsse nicht von der für ein Strafurteil. Kann sich dabei das Beschwerdegericht auch auf die Feststellung haftrelevanter Umstände einiger weniger Taten aus einer umfangreichen Verdachtslage, deretwegen die Voruntersuchung geführt wird, beschränken, so müssen diese hafttragend sein, um der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren vorzunehmenden Prüfung standhalten zu können.

Aus einem Verweis auf bestimmte aktenkundige Texte ist zwar nicht grundsätzlich abzuleiten, dass sich das OLG die selbständige Annahme einer Sachverhaltsgrundlage und eine Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt erspart hätte. Dies kann aber nicht schon dann gelten, wenn ein derartiger Verweis nur für das Höchstgericht deutlich genug ist, um von einem amtswegigen Einschreiten nach § 10 GRBG iVm §§ 290, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO abzusehen. Vielmehr muss - auch für den von der Haftentscheidung Betroffenen - klar ersichtlich sein, dass der deutliche Verweis auf bestimmte Texte (wie frühere Beschlüsse oder die Anklageschrift) methodisch deren Wiedergabe darstellt und der Gerichtshof zweiter Instanz sich jene Argumente, auf die Bezug genommen wurde, zu Eigen gemacht, sich also damit identifiziert hat.