15.11.2007 Strafrecht

OGH: Üble Nachrede und Rechtfertigung iSd § 114 Abs 1 StGB

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Üble Nachrede, Rechtfertigung
Gesetze:

§ 114 Abs 1 StGB, § 111 StGB

GZ 15 Os 85/07z, 06.09.2007

Im Zuge eines Scheidungsverfahrens beschuldigte Brigitte H***** den Privatankläger eines unehrenhaften Verhaltens (Spielsucht, Trunkenheit schon am Vormittag).

OGH: Der im Zivilverfahren Beklagte wie auch der im Strafverfahren Angeklagte handelt zwar - sofern er nicht bewusst wahrheitswidrig vorgeht - grundsätzlich, aber nicht unter allen Umständen in Ausübung eines Rechts iSd § 114 StGB, wenn er zur Abwehr gegen ihn erhobener zivilrechtlicher Forderungen oder strafrechtlich relevanter Vorwürfe im entsprechenden Verfahren schriftlich oder mündlich zur Sache Stellung bezieht. Diese Rechtsausübung ist jedoch nicht auf die "Schranken des Notwendigen" reduziert. Ein Beklagter oder Angeklagter muss nämlich vollständige Gelegenheit haben, die wider ihn erhobenen Vorwürfe zu beseitigen und sich zu rechtfertigen; es steht im frei, den Sachverhalt seiner Verteidigungslinie entsprechend umfassend zu schildern. Das ergibt sich bereits aus dem aus Art 6 Abs 1 MRK ableitbaren Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs, welches beinhaltet, dass jeder Partei ausreichend Gelegenheit eingeräumt werden muss, ihren Fall vorzutragen. Darunter fällt bei grundrechtsbewusstem Verständnis nicht nur ein zur entsprechenden Rechtsverfolgung "notwendiges", sondern jedes Vorbringen, das - ohne Anlegen eines strengen Maßstabes - aus der Sicht eines verständigen Beobachters in der Rolle der Prozesspartei der Aufklärung der Sache (vgl § 232 Abs 2 StPO) dienlich und zur Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunktes zweckmäßig sein kann, sofern es nicht bewusst wahrheitswidrig erstattet wird. In diesem Rahmen ist es auch legitim, über ein Bestreiten der gegen den Äußernden im Zivil- oder Strafverfahren erhobenen Vorwürfe hinausgehende ehrenrührige Anschuldigungen gegen den Prozessgegner oder einen Zeugen zu erheben, die dessen Glaubwürdigkeit erschüttern sollen. Ein Vorbringen hingegen, das diesen Kriterien nicht entspricht, ist von der Ausübung eines Rechts iSd § 114 Abs 1 StGB nicht erfasst.