06.02.2008 Strafrecht

OGH: Der Gewahrsamsbegriff iZm einem Inverkehrsetzen iSd § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ist in gleicher Weise auszulegen wie jener bei den Vermögensdelikten

Ein deliktsbezogen unterschiedlicher Bedeutungsinhalt im Hinblick auf das (zumeist ungeschriebene) Tatbildmerkmal "Gewahrsam" ist der Judikatur nicht zu entnehmen


Schlagworte: Suchtmittelrecht, Inverkehrsetzen, (Mit-)Gewahrsam
Gesetze:

§ 28 SMG

GZ 14 Os 123/07f, 13.11.2007

OGH: Der Gewahrsamsbegriff iZm einem Inverkehrsetzen iSd § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ist in gleicher Weise auszulegen wie jener bei den Vermögensdelikten; ein deliktsbezogen unterschiedlicher Bedeutungsinhalt im Hinblick auf das (zumeist ungeschriebene) Tatbildmerkmal "Gewahrsam" ist der Judikatur nicht zu entnehmen.

Dieser Gewahrsamsbegriff knüpft als faktisch-normativer Begriff an die mit Herrschaftswillen verbundene tatsächliche Sachherrschaft an. Das solcherart angesprochene Verhältnis erfordert indes keine greifbare Nähe zur Sache. Vielmehr reicht auch jede Form eines sogenannten gelockerten Gewahrsams im Sinn einer sozialen Zuordnung eines Gegenstands zu einer Person. Diese im Gewahrsam befindliche Sache muss auch bei fehlender körperlicher Anwesenheit des Gewahrsamsträgers diesem kraft sozialer Zuschreibungsmomente zuordenbar sein. Wesentliches Kriterium ist die potentielle Überwachung durch die übergeordneten Gewahrsam ausübende Person. Das Kriterium einer Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit im Sinn der sozialen Zuschreibung ist eher eng zu fassen; diese darf sich für den unmittelbaren Sachinhaber nicht bloß als abstrakt-theoretische Variante darstellen. Umgekehrt ist aber eine permanente tatsächliche Kontrolle ebenso wenig geboten, um sich schon bestehenden Mitgewahrsam zu erhalten. Es genügt insoweit eine rasch realisierbare Nachschau durch die übergeordneten Mitgewahrsam ausübende Person. Dass jemand anderer noch näher an der Sache ist und diese unmittelbar in Händen hält, vermag den bisherigen Gewahrsam nicht eo ipso aufzuheben.

An Sachen, die jemand in der von ihm (mit-)benutzten Wohnung zurücklässt und dort wieder an sich nimmt, bleibt ein Mitgewahrsam auch dann bestehen, wenn in der Wohnung ein anderer zwischenzeitig Zugriff auf diese Sache hat und diese - wie im vorliegenden Fall - dort auch bearbeitet. Soweit der Angeklagte daher Suchtgift in der Wohnung von seinem Mitbewohner Monday O***** übernahm und dort an diesen wieder ausfolgte, lag in Bezug auf die zur Verpackung übernommenen Suchtgifte nur Mitgewahrsam des Angeklagten bei gleichzeitig weiterbestehendem übergeordneten Mitgewahrsam des Überbringers der Suchtgifte vor. Die Aufgabe des Mitgewahrsams durch die Rückübergabe an den Auftraggeber ist somit nicht als Inverkehrsetzen zu beurteilen.