14.02.2008 Strafrecht

OGH: Bei der Berufung der Laienrichter gem § 14 Abs 1 GSchG ist stets jene Dienstliste heranzuziehen, die für den Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung gilt

Ein Verstoß gegen die in der Geschworenendienstliste vorgegebene Reihenfolge bewirkt dann Nichtigkeit iSd § 345 Abs 1 Z 1 StPO, wenn vom gesetzlichen determinierten Prinzip der nach dem Zufall zu erfolgenden Besetzung der Geschworenenbank willkürlich, mithin in sachlich unvertretbarer Weise abgewichen wird


Schlagworte: Strafprozessrecht, Besetzungsrüge, Laienrichter, Dienstliste
Gesetze:

§ 345 Abs 1 Z 1 StPO, § 14 GSchG

GZ 15 Os 95/07w, 22.11.2007

Die Besetzungsrüge behauptet, die Geschworenenbank sei nicht iSd § 14 Abs 1 GSchG zusammengesetzt gewesen. Denn für die im April 2007 im zweiten Rechtsgang begonnene Hauptverhandlung waren die Geschworenen aus der für das zweite Quartal des Jahres 2007 gültigen Dienstliste herangezogen worden. Aus Sicht der Beschwerde hätten jedoch Laienrichter aus jener Dienstliste gewählt werden müssen, die für das letzte Quartal des Jahres 2006 galt, weil das Verfahren nach der teilweisen Urteilsaufhebung durch den OGH bereits im Dezember 2006 bei dem für den zweiten Rechtsgang zuständigen Vorsitzenden angefallen war.

OGH: Geschworene (und Schöffen) unterfallen formell nicht dem Begriff des Richters iSd Art 83 Abs 2 und 87 Abs 3 B-VG, sodass die Bestimmungen über die feste Geschäftsverteilung auf diese nicht unmittelbar anwendbar sind. Hinsichtlich der Laienrichter entspricht jedoch - mit Blick auf Art 6 Abs 1 MRK - der von § 14 Abs 1 GSchG angeordnete Einsatz in der durch das Los bestimmten Reihenfolge in der Dienstliste der festen Geschäftsverteilung.

Seit Geltung des durch BGBl 1994/507 eingefügten § 28a GOG, wonach zwar die Gültigkeit von Amtshandlungen durch einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung nicht beeinträchtigt wird, § 281 Abs 1 Z 1 und § 345 Abs 1 Z 1 StPO jedoch unberührt bleiben, lässt sich die Bedeutung eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung für das Nichtigkeitsverfahren nicht bestreiten. Eine am Zweck des Grundrechtes auf den gesetzlichen Richter orientierte Auslegung (Art 83 Abs 2 B-VG iVm Art 6 Abs 1 MRK) hat jedoch Verstöße gegen die Regelungen über die Berufung der Geschworenen (nur) dann zu beachten, wenn sie eine Unfairness gegenüber dem Beschwerdeführer erkennen lassen. Ein Verstoß gegen die in der Geschworenendienstliste vorgegebene Reihenfolge bewirkt somit dann Nichtigkeit iSd § 345 Abs 1 Z 1 StPO, wenn vom gesetzlichen determinierten Prinzip der nach dem Zufall zu erfolgenden Besetzung der Geschworenenbank willkürlich, mithin in sachlich unvertretbarer Weise abgewichen wird.

Indem die Beschwerde behauptet, dass dem GSchG gar keine ausdrückliche Regelung zu entnehmen sei, welche von mehreren Dienstlisten heranzuziehen sei, und dass im konkreten Fall drei verschiedene Varianten "denkbar" seien, zeigt sie selbst auf, dass von Willkür oder Unfairness bei der Auswahl der Geschworenen keine Rede sein kann. Überdies war die Heranziehung der für das zweite Quartal 2007 geltenden Dienstliste für die im April 2007 begonnene Hauptverhandlung nicht nur nicht willkürlich, sondern sogar völlig gesetzeskonform. Denn sowohl aus § 13 Abs 5 erster Satz wie auch aus § 14 Abs 3 zweiter Satz GSchG ergibt sich, dass die Geltungsdauer der Dienstliste stets mit der Tätigkeit des Laienrichters korreliert. Diese Tätigkeit der Laien beschränkt sich jedoch - anders als die Tätigkeit des Vorsitzenden, die bereits mit dem Aktenanfall beginnt (§§ 220 f StPO) - auf die Mitwirkung in der Hauptverhandlung. Somit ist bei der Berufung der Laienrichter gem § 14 Abs 1 GSchG stets jene Dienstliste heranzuziehen, die für den Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung gilt. Durch die in diesem Sinn erfolgte Vorgangsweise wurde somit das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) im konkreten Fall gewahrt.