14.02.2008 Strafrecht

OGH: Der Begriff der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung fordert nicht, dass der Zutritt zur Hauptverhandlung schlechthin allen interessierten Personen nach ihrem Belieben und ohne Begrenzung möglich ist

Es sind stets die Beschränkungen des Zutritts gestattet, welche die Raumverhältnisse und die Handhabung der Ordnung erfordern, wenn sie nur nicht soweit gehen, dass sie einem tatsächlichen Ausschluss der Öffentlichkeit gleichkommen, wobei ein nichtigkeitsbegründender Ausschluss der Öffentlichkeit - selbst ohne formellen Ausschluss der Öffentlichkeit gem § 229 Abs 1 StPO - freilich auch durch faktische Hinderung Interessierter, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, verwirklicht werden kann


Schlagworte: Strafprozessrecht, Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, Beschränkungen des Zutritts
Gesetze:

§ 345 Abs 1 Z 4 StPO, § 228 StPO

GZ 15 Os 95/07w, 22.11.2007

Die Verfahrensrüge nach § 345 Abs 1 Z 4 StPO behauptet einen nichtigkeitsbegründendenVerstoß gegen § 228 Abs 1 StPO. An den beiden ersten der insgesamt vier Verhandlungstage habe die Hauptverhandlung bis nach 15:30 Uhr gedauert; ab diesem Zeitpunkt sei aber das Tor zum Gerichtsgebäude versperrt gewesen, sodass der Zugang zum Verhandlungssaal für potentielle Zuhörer nicht mehr möglich gewesen sei.

OGH: Öffentlichkeit der Hauptverhandlung bedeutet, dass es jedermann, freilich im Rahmen der technischen Möglichkeiten, erlaubt ist, einer Verhandlung beizuwohnen. In diesem Sinn fordert der Begriff der Öffentlichkeit aber nicht, dass der Zutritt zur Hauptverhandlung schlechthin allen interessierten Personen nach ihrem Belieben und ohne Begrenzung möglich ist. Es sind stets die Beschränkungen des Zutritts gestattet, welche die Raumverhältnisse und die Handhabung der Ordnung erfordern, wenn sie nur nicht soweit gehen, dass sie einem tatsächlichen Ausschluss der Öffentlichkeit gleichkommen, wobei ein nichtigkeitsbegründender Ausschluss der Öffentlichkeit - selbst ohne formellen Ausschluss der Öffentlichkeit gem § 229 Abs 1 StPO - freilich auch durch faktische Hinderung Interessierter, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, verwirklicht werden kann. In diesem Sinn ist es nicht erforderlich, allen potentiellen Zuhörern während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung ein uneingeschränktes Betreten (und Verlassen) des Verhandlungssaals zu ermöglichen, vielmehr kann dies - schon zwecks Aufrechterhaltung der Ordnung im Gerichtssaal (§ 233 Abs 1 StPO) - auf die Zeitpunkte des Aufrufs der Hauptverhandlung, der Aufrufe von Zeugen und Sachverständigen sowie von Unterbrechungen der Hauptverhandlung beschränkt werden.

Ein - wenn auch nur faktischer - Ausschluss der Öffentlichkeit iSd § 229 Abs 1 StPO lag daher gegenständlich nicht vor. Denn zum Einen wurde der Öffentlichkeit an beiden inkriminierten Verhandlungstagen von 8:30 bis 15:30 Uhr uneingeschränkt Zutritt gewährt und den anwesenden Zuhörern auch die weitere Teilnahme nach 15:30 Uhr ermöglicht. Zum Anderen bestand aber bereits auf Grund des "Verhandlungsfahrplans" für allfällige weitere Zuhörer keine plausible Veranlassung, erst nach 15:30 Uhr Zugang zur Hauptverhandlung zu suchen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang behauptet, am ersten Verhandlungstag habe deshalb "in erheblichem Ausmaß mediales Interesse" an einem Zugang zur Hauptverhandlung nach 15:30 Uhr bestanden, weil "am späteren Nachmittag die Aussage der Zeugin Gertraud A***** auf dem Programm stand", argumentiert sie aktenfremd, orientiert sie sich doch nicht daran, dass die Zeugin bereits für 13:00 Uhr jenes Tages geladen war und ihre Vernehmung um 14:00 Uhr begann.