15.05.2008 Strafrecht

OGH: Tatbegehung einer bereits in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebrachten Person

Das Wort "sonst" in § 21 Abs 1 letzter Halbsatz StGB stellt nicht auf den Vergleich von Behandlungsmöglichkeiten, somit auf die (medizinische) Erforderlichkeit einer Maßnahme ab, sondern abstrakt auf deren gesetzliche Rechtfertigung, also auf eine normativ verstandene Gefährlichkeit, wie sie sich nach den gesetzlich abgegrenzten Erkenntnisquellen darstellt


Schlagworte: Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, Gefährlichkeitsprognose
Gesetze:

§ 21 StGB

GZ 15 Os 159/07g, 18.02.2008

Mit dem angefochtenen Urteil wurde auf Unterbringung der Ingrid S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB erkannt. Zum Zeitpunkt der Tat (Mordversuch) war die Betroffene bereits in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB untergebracht.

Die Beschwerde bringt unter Bezugnahme auf den Gesetzestext ("..., dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.") vor, das Geschworenengericht habe seine Strafbefugnis überschritten, weil es anlässlich der im § 21 Abs 1 StGB vorgesehenen Gefährlichkeitsprognosse die Erforderlichkeit der Unterbringung an einer "Belassung auf freiem Fuß", und nicht an der "Alternativprognose eines funktionierenden Maßnahmenvollzuges" gemessen habe.

OGH: Diesem Vorbringen zuwider stellt das Wort "sonst" in § 21 Abs 1 letzter Halbsatz StGB nicht auf den Vergleich von Behandlungsmöglichkeiten, somit auf die (medizinische) Erforderlichkeit einer Maßnahme ab, sondern abstrakt auf deren gesetzliche Rechtfertigung, also auf eine normativ verstandene Gefährlichkeit, wie sie sich nach den gesetzlich abgegrenzten Erkenntnisquellen darstellt.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist die Anordnung einer freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme nach den §§ 21 bis 23 StGB bei Zutreffen der entsprechenden Gefährlichkeitsprognose sowie der übrigen materiellen Voraussetzungen zwingend vorgeschrieben (arg: "..., so hat ihn das Gericht ... einzuweisen"). Daraus folgt, dass in allen Fällen, in welchen die gesetzlich normierten Einweisungsvoraussetzungen erfüllt sind, die in concreto in Betracht kommende vorbeugende Maßnahme nach §§ 21 bis 23 StGB angeordnet werden muss, ohne dass es darauf ankäme, ob eine gleichartige Maßnahme an der Betroffenen bereits vollzogen wird oder nicht, ebensowenig wie es eine Rolle spielen kann, ob die Anlasstat während des Maßnahmenvollzuges oder außerhalb dieses begangen wurde. Für eine Differenzierung danach, ob die besondere Gefährlichkeit "im Rahmen eines gesetzeskonformen Maßnahmenvollzugs" zu verneinen (gewesen) wäre, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Die von der Beschwerde penibel aufgelisteten "Sorgfaltswidrigkeiten der Verantwortlichen des Maßnahmenvollzugs" vermögen daher keine andere Einschätzung der Sachlage herbeizuführen.