12.06.2008 Strafrecht

OGH: Zur Anwendung der Verfahrensvorschrift des § 263 StPO im bezirksgerichtlichen Verfahren

Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist ein Verfolgungsantrag wegen neu hervorgekommener Taten auch dann zu stellen, wenn diese in die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofes fallen


Schlagworte: Strafprozessordnung, Anklageberechtigung, Verfolgungsantrag, Privatankläger
Gesetze:

§ 263 StPO

GZ 14 Os 146/07p, 19.02.2008

In dem der gegenständlichen Rechtssache zugrunde liegenden Strafverfahren, welches mit einem Freispruch für den Angeklagten endete, wurde die Staatsanwaltschaft durch einen nicht geprüften Richteramtsanwärter vertreten, der eine Ausdehnung der Anklage unterlassen hatte, trotzdem sich in der Verhandlung aufgrund der Aussage des Angeklagten Hinweise auf die Verwirklichung des § 299 StGB ergaben. Der gegen die eingeleiteten Voruntersuchungen erhobenen Beschwerde wurde nicht Folge gegeben, weil ein Vorbehalt nicht erforderlich gewesen sei, da für die Ahnung dieser Straftat nicht das Bezirksgericht zuständig sei. Ein Verlust des Anklagerechts sei durch Verschweigen unabhängig von der Person des öffentlichen Anklägers und dessen Anklageberechtigung nicht möglich. Gegen diese Auslegung wendet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur.

OGH: Die Anwesenheit des berechtigten Anklägers in der Hauptverhandlung ist Voraussetzung dafür, dass die Bestimmung des § 263 StPO angewandt werden kann. Die StPO enthält keine abweichende Regelung darüber, dass § 263 StPO im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht gelten soll. Soweit daher eine neue Tat hervorkommt, ist ein entsprechender Verfolgungsantrag zu stellen, auch wenn das befasste Gericht sachlich unzuständig ist. Der Schutzzweck des § 263 StPO liegt in der Information des Angeklagten über jene Taten, die ihm zur Last gelegt werden könnten. Dass in der Bestimmung lediglich vom Staatsanwalt die Rede ist, kann nicht als Einschränkung der Anklägerfunktion gewertet werden, sondern ist nur zur Differenzierung zum Privatankläger vorgesehen.