19.06.2008 Strafrecht

OGH: Zu den Anforderungen an Tatsachen, auf die sich die Sachverhaltsannahme zu einem Haftgrund gründen

Bestimmte Tatsachen, auf die sich die Sachverhaltsannahme zu einem Haftgrund gründen, müssen sich aus dem aktuellen Einzelfall ergeben und dürfen nicht bloß allgemeine Erfahrungstatsachen darstellen


Schlagworte: Untersuchungshaft, Haftgrund, Tatsachen, allgemeine Erfahrung
Gesetze:

§§ 1 ff GRBG, § 173 StPO

GZ 11 Os 31/08f, 27.02.2008

Die vom Angeklagten erhobene Grundrechtsbeschwerde richtet sich gegen die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr. Er sei in Ungarn sozial integriert und an der Adresse des in seinem Eigentum stehenden Hauses wohnhaft und erreichbar. Weder bestehe aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr, er werde auf freiem Fuß wegen des Ausmaßes der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten, noch stehe ein Aufenthalt in Ungarn einem in Österreich geführten Strafverfahren entgegen, zumal Ungarn ein Mitgliedstaat der EU sei, dem Schengengebiet angehöre und in Vollziehung des Europäischen Haftbefehls auch eigene Staatsbürger ausliefere.

OGH: Die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom OGH im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste.

Bestimmte Tatsachen, auf die die Sachverhaltsannahme zu einem Haftgrund gegründet sein müssen, können sowohl äußere als auch innere - wie Charaktereigenschaften und Wesenszüge des Beschuldigten - Umstände sein, wobei sie sich jedenfalls aus dem aktuellen Einzelfall ergeben müssen und nicht bloß allgemeine Erfahrungstatsachen darstellen dürfen. Solche konkreten Tatsachen, aus denen die Annahme der Fluchtgefahr abgeleitet werden durfte, sind im vorliegenden Fall zu verneinen.