24.07.2008 Strafrecht

OGH: Grundrechtsbeschwerde - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen

Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass Haftsachen auch dann, wenn (jeweils) zuständige Richter in Folge von Ausgeschlossenheit, Krankheit oder Überbelastung verhindert sind, bevorzugt einer beschleunigten Bearbeitung und Erledigung zugeführt werden


Schlagworte: Strafprozessrecht, Grundrechtsbeschwerde, Haft, Beschleunigungsgebot
Gesetze:

§ 1 GRBG, § 2 GRBG, § 177 StPO, § 9 StPO

GZ 14 Os 65/08b, 27.05.2008

OGH: Insoweit die Grundrechtsbeschwerde einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen releviert, weil in der gegenständlichen Strafsache in der Zeit von 25. Jänner 2008 bis 10. April 2008 "überhaupt nichts passiert" sei, erst am 7. April 2008 die Hauptverhandlung für den 8. Mai 2008 anberaumt worden sei und "tatsächlich seit Anklageerhebung am 2. Oktober 2007 bis heute gar nichts geschehen" sei, ist sie berechtigt: §§ 9 Abs 2 und 177 Abs 1 StPO verpflichten alle im Strafverfahren beteiligten Behörden, Einrichtungen und Personen auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken; Verfahren in denen ein Beschuldigter in Haft gehalten wird, sind mit besonderer Beschleunigung zu führen, jeder verhaftete Beschuldigte hat Anspruch auf ehestmögliche Urteilsfällung.

Der OGH prüft hinsichtlich der den Gerichten zukommenden Aufgaben (§ 1 Abs 1 GRGB), ob diese alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben; eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen ist auch ohne Verletzung des § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO grundrechtswidrig iSe Verletzung der §§ 9 Abs 2 und 177 Abs 1 StPO. Angesichts dessen, dass das OLG der Anklage bereits am 20. November 2007 Folge gegeben und bis zum Zeitpunkt der nun bekämpften Entscheidung des OLG vom 8. April 2008 (sohin nach rund viereinhalb Monaten) noch immer keine Hauptverhandlung stattgefunden hat, vielmehr erst am Vortag dieser Entscheidung (neuerlich) eine Hauptverhandlung ausgeschrieben wurde, kann keine Rede davon sein, dass das Gericht alles ihm mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen hat; im Gegenteil, es liegt eine durchaus ins Gewicht fallende Säumigkeit in einer Haftsache vor.

Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ist es ohne Belang, ob den einzelnen Richter (Vorsitzenden) an der insgesamt eingetretenen Säumigkeit auf Seiten des Gerichts ein Verschulden trifft, denn es obliegt dem Staat, das Grundrecht zu gewährleisten. Maßgeblich ist allein, ob die ins Gewicht fallende Säumigkeit den Gerichten zuzurechnen ist (§ 1 Abs 1 GRBG), was hier ohne Zweifel zutrifft. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass Haftsachen auch dann, wenn (jeweils) zuständige Richter in Folge von Ausgeschlossenheit, Krankheit oder Überbelastung (was gegenständlich Änderungen der Geschäftsverteilung nach sich zog) verhindert sind, bevorzugt einer beschleunigten Bearbeitung und Erledigung zugeführt werden.