25.09.2008 Strafrecht

OGH: Staatlich veranlasste Tatprovokation - Straffreiheit?

Für die unzulässigerweise zur Tat veranlasste Person kommt nicht Straffreiheit, sondern nur Strafminderung in Betracht


Schlagworte: Tatprovokation
Gesetze:

§ 5 Abs 3 StPO, Art 6 MRK

GZ 13 Os 73/08x, 23.07.2008

Der Angeklagte macht geltend, Opfer staatlich veranlasster Tatprovokation geworden zu sein. Ursprünglich seien keinerlei Verdachtsmomente gegen ihn vorgelegen. Polizisten hätten ihn durch einen verdeckten Ermittler immer wieder "und über zwei Jahre andauernd" zur Tat provoziert, was "jenseits einer jeden rechtsstaatlichen Grenze anzusiedeln" sei. Die Salzburger Polizei habe dabei den Hintergedanken verfolgt, einen Verwandten des Angeklagten aus seinem Versteck zu locken, "jahrelang die finanzielle Notlage des verheirateten Vaters Fuat G***** bewusst und gezielt ausgenützt und diesen unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel nach mehreren Jahren schlussendlich dazu gebracht, ja geradezu bestimmt, die gegenständliche kriminelle Handlung durchzuführen". Die vorgekommene Tatprovokation sei "mit der nunmehr gültigen StPO 2008 nicht in Einklang zu bringen".

Das Schöffengericht nahm im angesprochenen Zusammenhang einen Milderungsgrund an, indem es "das grenzwertige Vorgehen der verdeckten Ermittler (welches in Hinkunft an den in § 131 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes normierten formellen Anwendungsvoraussetzungen, die eine derartig lange verdeckte Ermittlung trotz mehrfacher entschiedener Ablehnung durch den Observierten jedenfalls ausschließen, scheitern würde)" - allerdings nicht zahlenmäßig fassbar - zu Gunsten des Angeklagten "entsprechend" berücksichtigte.

OGH: Das Strafprozessreformgesetz (BGBl I 19/2004) hat einerseits die Regelung des § 25 StPO aF nahezu wortgleich in das neue Recht übernommen (§ 5 Abs 3 StPO) und andererseits erstmals die zulässige verdeckte Ermittlung und das Scheingeschäft in der StPO normiert (§§ 131 f StPO). § 5 Abs 3 StPO verbietet - wie bereits vorher § 25 StPO aF - den Einsatz eines "agent provocateur". Demnach ist eine Tatprovokation jedenfalls unzulässig, wenn durch sie der Beschuldigte oder eine andere Person zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat verleitet wird. Verstöße der Strafverfolgungsbehörden gegen diese Vorschrift sind den Materialien zufolge - soweit sie nicht gar strafrechtlich relevant sind - in erster Linie dienst- und disziplinarrechtlich zu ahnden. Als sachgerechte Konsequenz für die unzulässigerweise zur Tat veranlasste Person kommt allerdings nicht Straffreiheit, sondern nur Strafminderung in Betracht.

Mit den neuen Vorschriften über die verdeckte Ermittlung (§ 131 StPO) und das Scheingeschäft (§ 132 StPO) wurde eine Anpassung an die Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR unter gleichzeitiger Ermöglichung der genannten Ermittlungsmethoden intendiert. Sie dienen dem Ziel, zulässige von unzulässigen Ermittlungsmaßnahmen abzugrenzen, sagen aber nichts über die Folgen unzulässiger dem Staat zuzurechnender Tatprovokation aus.

Demnach hält der OGH daran fest, dass ein in unzulässiger, dem Staat zuzurechnender Tatprovokation gelegener Konventionsverstoß (Art 6 Abs 1 MRK) zwar ausdrücklich im Urteil festzustellen ist, aber nicht zur Straffreiheit des Täters führt, vielmehr mit Blick auf Art 34 MRK durch eine ausdrückliche und messbare Strafmilderung auszugleichen ist. Die auf die unzulässige Tatprovokation entfallende Strafreduktion ist demnach in den Strafbemessungsgründen zu benennen und zu beziffern.