13.11.2008 Strafrecht

OGH: Zur gerichtlichen Kontrolle des in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebotes

Gegen eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen im Bereich der Staatsanwaltschaft kann gerichtlicher Rechtsschutz erreicht werden, indem ein auf Verletzung des Beschleunigungsgebots gestützter Antrag "auf Enthaftung" oder -"auf Freilassung" gestellt wird


Schlagworte: Strafprozessrecht, Haftsachen, Beschleunigungsgebot, Rechtsschutz bei Verletzung des Beschleunigungsgebotes
Gesetze:

§ 106 StPO, § 107 StPO, § 173 StPO, § 174 StPO, § 176 StPO

GZ 13 Os 122/08b, 27.08.2008

OGH: Gegen eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen im Bereich der Staatsanwaltschaft, der es im neu geregelten Ermittlungsverfahren (ua) grundsätzlich obliegt, Sachverständige zu bestellen (§ 126 Abs 3 StPO) und erforderlichenfalls die Erstattung von Befund und Gutachten zu urgieren (vgl § 127 Abs 5 StPO), kann gerichtlicher Rechtsschutz erreicht werden, indem ein auf Verletzung des Beschleunigungsgebots gestützter Antrag "auf Enthaftung" oder - bedeutungsgleich -"auf Freilassung" gestellt wird (dessen auf die häufigste Beschwerdeintention, nämlich Beendigung der Haft, abgestellte gesetzliche Bezeichnung [§ 174 Abs 3 Z 8, § 176 Abs 1 Z 2 StPO] nichts daran ändert, dass damit auch gezielt bloß die Einhaltung haftrelevanter Vorschriften begehrt werden kann) und nötigenfalls gegen die darüber ergangene Entscheidung Beschwerde geführt wird: Erfordert auch die Verletzung des Beschleunigungsgebots für sich allein noch keine Freilassung (vgl demgegenüber § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO), wohl aber - selbstverständlich - das konzentrierte Hinwirken auf eine (jedenfalls von da an) in ganz besonderem Maß vorrangige Verfahrensführung, kann auf diesem Weg ein konkreter Auftrag des Gerichts erster oder (im Beschwerdefall) zweiter Instanz an die Staatsanwaltschaft erwirkt werden, dem besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen durch (nötigenfalls vom Gericht näher zu bezeichnende) Maßnahmen Rechnung zu tragen. Diese Bindung der Staatsanwaltschaft an Aufträge des Gerichts aufgrund der Verletzung eines subjektiven Rechts lässt sich aus den Bestimmungen über den Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO ableiten. Gibt das Gericht dem Einspruch statt, hat die Staatsanwaltschaft, sofern sie diesem nicht schon entsprochen hat (§ 106 Abs 4 StPO), den entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 107 Abs 4 StPO). Für den Fall der Verletzung eines subjektiven Rechts durch die Staatsanwaltschaft, mit dem das Gericht im Weg eines - auf Prüfung der Einhaltung einer die Haft betreffenden Vorschrift zielenden - Antrags auf Freilassung befasst wird, kann (per analogiam) nichts anderes gelten. Somit ist das in Haftsachen geltende besondere Beschleunigungsgebot (nach wie vor) wirksamer gerichtlicher Kontrolle und Abhilfemöglichkeit unterstellt.