10.08.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Verletzung der Offenlegungspflicht - zum neuen Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111)

§ 283 Abs 1 UGB ist im Zusammenhalt mit § 283 Abs 2 UGB zu lesen; weil das Zwangsstrafenverfahren zwingend mit der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung beginnt, steht der Verhängung einer Zwangsstrafe entgegen, wenn die Bilanz spätestens am Tag vor der Erlassung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde; diesfalls kann auch im ordentlichen Verfahren keine Zwangsstrafe verhängt werden; wenn aber einmal eine Zwangsstrafverfügung verhängt wurde, weil die Bilanz nicht innerhalb der Offenlegungsfrist und nicht längstens bis zum Tag vor Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde, steht die nachträgliche Einreichung der Bilanz der Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren nach § 283 Abs 1 UGB nicht entgegen


Schlagworte: Unternehmensrecht, Zwangsstrafenverfahren, Offenlegung, Zwangsstrafverfügung, ordentliches Verfahren, Zwangsstrafe
Gesetze:

§ 283 UGB

GZ 6 Ob 129/11f [1], 18.07.2011

 

OGH: Nach § 283 Abs 2 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 ist, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgte, mit Strafverfügung eine Zwangsstrafe von je 700 EUR zu verhängen, und zwar über den Geschäftsführer (§ 283 Abs 1 UGB) sowie über die Gesellschaft selbst (§ 283 Abs 7 UGB).

 

Gegen die Strafverfügung steht der Einspruch offen; nach rechtzeitiger Erhebung eines begründeten Einspruchs hat das Firmenbuchgericht im ordentlichen Verfahren über die Verhängung einer Zwangsstrafe zu entscheiden.

 

Während nach § 283 Abs 1 UGB idF PuG lediglich vorgesehen waren, dass die Organe zur Befolgung des § 280a UGB durch Zwangsstrafen anzuhalten seien, sieht § 283 Abs 1 UGB nunmehr vor, dass die Zwangsstrafe zwingend nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen ist. Damit führt jede Unterlassung der Vorlage des Jahresabschlusses innerhalb der Offenlegungsfrist (und nicht spätestens einen Tag vor Erlassung der Zwangsstrafenverfügung, vgl § 283 Abs 2 Satz 1 UGB), zwingend zur Verhängung einer Zwangsstrafe; ob dieser nach Ablauf der Offenlegungspflicht doch noch vorgelegt wird, hat nur für die Zulässigkeit der Verhängung weiterer Zwangsstrafen (§ 283 Abs 1 letzter Satz UGB) Bedeutung. Die Regelungen des § 283 Abs 2 und 3 UGB über die Zwangsstrafverfügung und die Einspruchserhebung sind insoweit prozessualer Natur und vermögen an der Notwendigkeit der Verhängung einer Zwangsstrafe als zwingende Konsequenz der Nichteinreichung innerhalb der Offenlegungsfrist nichts zu ändern. Auch für die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren (§ 283 Abs 3 UGB) ist daher ausschließlich Voraussetzung, dass der Jahresabschluss iSd § 283 Abs 1 UGB nicht innerhalb der Offenlegungsfrist und nicht spätestens einen Tag vor Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde. Freilich ist § 283 Abs 1 UGB im Zusammenhalt mit § 283 Abs 2 UGB zu lesen. Weil das Zwangsstrafenverfahren zwingend mit der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung beginnt, steht der Verhängung einer Zwangsstrafe überhaupt entgegen, wenn die Bilanz spätestens am Tag vor der Erlassung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde. Diesfalls kann auch im ordentlichen Verfahren keine Zwangsstrafe verhängt werden. Wenn aber einmal eine Zwangsstrafverfügung verhängt wurde, weil die Bilanz nicht innerhalb der Offenlegungsfrist und nicht längstens bis zum Tag vor Verhängung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde, steht die nachträgliche Einreichung der Bilanz der Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren nach § 283 Abs 1 UGB nicht entgegen.

 

Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Einspruchs eine weitere letzte Nachfrist einräumen wollte, innerhalb derer der Jahresabschluss nachgereicht werden und die Verhängung einer Zwangsstrafe vermieden werden kann, bieten weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Entstehungsgeschichte der Regelung den geringsten Anhaltspunkt. Bei dieser Auslegung hätte die Gesellschaft die Möglichkeit, mit der Vorlage des Jahresabschlusses sanktionslos bis 14 Tage nach Zustellung der Zwangsstrafverfügung zuzuwarten. Eine derartige Möglichkeit würde der Absicht der Reform, das Zwangsstrafenverfahren zu verschärfen und damit die Erfüllung der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Publizitätspflicht besser durchzusetzen, jedoch diametral zuwiderlaufen.

 

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung waren die Vorinstanzen nicht zur amtswegigen Durchführung weiterer Ermittlungsschritte gehalten. Zwar hat nach § 16 Abs 1 AußStrG das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden. Andererseits haben die Parteien vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten (§ 16 Abs 2 AußStrG).

 

Nach stRsp ist das Gericht nicht gehalten, jeden denkbaren, aber überhaupt nicht behaupteten Sachverhalt zu erforschen. Dies muss umso mehr gelten, als nach § 283 Abs 2 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 die Gründe für die Nichtbefolgung der in § 283 Abs 1 UGB genannten Pflichten anzuführen sind. Es ist daher Sache der Parteien, Entlastungsumstände vorzubringen; keinesfalls ist es Aufgabe des Firmenbuchgerichts, vom Amts wegen nach möglichen Entlastungsumständen zu forschen, für die das Vorbringen der Parteien keinerlei Anhaltspunkt bietet. Die Revisionsrekurswerberinnen haben im Verfahren vor den Vorinstanzen trotz Hinweises auf die bei fehlerhaften Eingaben erfolgende Rückmeldung kein weiteres Vorbringen erstattet. Zutreffend hat bereits das Rekursgericht darauf verwiesen, dass die Eingaben der Revisionsrekurswerberinnen offen lassen, wer zu welchem Zeitpunkt überhaupt einen Übermittlungsversuch vorgenommen haben soll. Vielmehr beschränkte sich das Vorbringen der Revisionsrekurswerberinnen im Wesentlichen darauf, die Bilanz rechtzeitig erstellt zu haben; diese sei „von der EDV nicht entsprechend an das Firmenbuch weitergeleitet worden“.

 

Es ist Sache der Geschäftsführer, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer handelsrechtlichen Offenlegungspflichten zu sorgen. Daraus ergibt sich aber, dass bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses auf wirksame Weise zu kontrollieren ist, ob die Übermittlung auch tatsächlich zustandegekommen ist. Dies setzt als Mindesterfordernis die Einsichtnahme in ein entsprechendes Übermittlungsprotokoll voraus. Dass dies erfolgt sei, haben die Revisionsrekurswerberinnen trotz Hinweises durch das Erstgericht auch in ihrem Rekurs nicht vorgebracht. Zudem hätten sich die Revisionsrekurswerberinnen nach der behaupteten Online-Übermittlung noch vergewissern können, dass die Einreichung im Firmenbuch durch Eintragung im Firmenbuch vollzogen wurde. Völlig zutreffend gingen daher die Vorinstanzen vom Vorliegen eines Verschuldens der Geschäftsführerin aus.

 

Nach stRsp des OGH bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Zwangsstrafenverfahrens nach § 283 UGB keine Bedenken. Daran hat auch die Einführung einer Mindeststrafe von 700 EUR (§ 283 Abs 3 UGB) und der Verhängung von Strafen gegen die Gesellschaft und den Geschäftsführer (§ 283 Abs 7 UGB) durch das Budgetbegleitgesetz 2011 nichts geändert.

 

Schon nach bisheriger Rsp hatte die Strafverhängung typischerweise eher schematisch und aufgrund objektiver Kriterien zu erfolgen, ohne dass es einer näheren Feststellung über die Vermögenslage der Geschäftsführer bedurfte.

 

Dass Strafen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Geschäftsführer verhängt werden können, stellt keine unzulässige Doppelbestrafung dar. Entgegen der von den Revisionsrekurswerberinnen vertretenen Auffassung trifft die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Offenlegung der Bilanz grundsätzlich die Gesellschaft selbst, auch wenn im Hinblick auf die ursprünglich nur gegenüber den Geschäftsführern vorgesehene Möglichkeit der Verhängung von Zwangsstrafen § 277 UGB die diesbezügliche Handlungspflicht den Geschäftsführern auferlegt.

 

Die mehrfache Verhängung von Geldstrafen ist in diesem Fall bloß Folge des Umstands, dass mehrere handlungspflichtige Rechtssubjekte den sie nach dem Gesetz treffenden Pflichten nicht nachkamen. Von der im Revisionsrekurs behaupteten unsachlichen Differenzierung zwischen Gesellschaft mit einem und mit mehreren Geschäftsführern kann daher keine Rede sein.