09.04.2009 Strafrecht

OGH: Zur Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches nach § 7 MedienG

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Medienrecht, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches, Entschädigung
Gesetze:

§ 7 MedienG

GZ 15 Os 175/08m, 21.01.2009

OGH: Wird in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen in einer Weise erörtert oder dargestellt die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, so hat der Betroffene nach § 7 Abs 1 MedienG gegen den Medieninhaber einen Anspruch auf Entschädigung.

Diese Bestimmung schützt nicht das gesamte private Leben eines Menschen; Der höchstpersönliche Lebensbereich - ein Begriff, der sich nach dem Bericht des Justizausschusses mit jenem des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK deckt - umfasst vielmehr nur solche Angelegenheiten, deren Kenntnisnahme durch Außenstehende die persönliche Integrität im besonderen Maß berührt. Dazu gehören vor allem das Leben in der Familie, die Gesundheitssphäre und das Sexualleben, aber auch Kontakte mit engsten Vertrauten. Dem höchstpersönlichen Lebensbereich sind nicht nur im häuslichen Bereich zu Tage tretende Umstände und sich dort zutragende Ereignisse zuzurechnen; Er umfasst vielmehr auch Gegebenheiten der sog "Privatöffentlichkeit", dh privates Handeln in öffentlichen Räumen, das aber doch in abgegrenzten Bereichen stattfindet, die eine gewisse Vertraulichkeit vermitteln und die bei objektiver Betrachtung nicht für die Anteilnahme einer unbegrenzten Öffentlichkeit bestimmt sind. Auch in der räumlichen Öffentlichkeit besteht diesfalls ein Anspruch auf Respektierung der Privatsphäre.

Zudem verlieren Tatsachen des höchstpersönlichen Lebensbereiches diesen Charakter nicht allein dadurch, dass sie zum Gegenstand eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens werden oder in einem solchen erörtert werden.

Voraussetzung für einen Anspruch nach § 7 Abs 1 MedienG ist weiters, dass die Erörterung oder Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Auf eine tatsächlich eingetretene Ansehensminderung oder Gefährdung des Rufes des Betroffenen kommt es nicht an; bloßstellend kann auch eine Veröffentlichung privater Angelegenheiten sein, die weder subjektiv noch objektiv die Gefahr einer negativ abwertenden Einschätzung durch die Umwelt nach sich zieht. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liegt schon darin, dass der Einzelne gezwungen wird, sich mit öffentlicher Neugierde, unerwünschter Anteilnahme oder ungebetenem Mitleid in einer Angelegenheit seiner Intimsphäre auseinanderzusetzen. Entscheidend ist letztlich, inwieweit durch die Preisgabe höchstpersönlicher Umstände und Tatsachen die Möglichkeit des Einzelnen, über das der Umwelt eröffnete Persönlichkeitsbild selbst zu bestimmen, beschnitten wird.

Schließlich kann auch das Erscheinungsbild und der Ton einer Publikation eine Rolle spielen: Während bei Angelegenheiten der intimsten Sphäre jede Informationsteilhabe durch Außenstehende eine Verletzung der persönlichen Integrität bedeutet, somit die mediale Indiskretion als solche bloßstellend wirkt, ist in den übrigen Fällen bei der Prüfung der Bloßstellungseignung nach Art eines beweglichen Systems der betroffene private Bereich stets im Verhältnis zur Darstellung zu beurteilen. Je reißerischer die Textierung und Aufmachung einer solchen ist, je eher sie darauf abzielt, beim Rezipienten eine bestimmte Bewertung hervorzurufen, desto eher ist sie im Vergleich zu einer reinen Sachinformation als bloßstellend anzusehen.

Richtig ist, dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 Abs 1 EMRK (und damit auch die dieses Grundrecht auf einfachgesetzlicher Stufe konkretisierende Norm des § 7 MedienG) mitunter in einem Spannungsverhältnis zu der nach Art 10 Abs 1 EMRK garantierten Freiheit der Meinungsäußerung steht. Während § 7 Abs 1 MedienG entsprechend dem Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 EMRK das Recht auf freie Meinungsäußerung beschränkt, trägt der Gesetzgeber mit § 7 Abs 2 MedienG diesem Grundrecht wieder Rechnung, und zwar durch die Normierung von Ausschlussgründen, bei deren Vorliegen der Anspruch auf Entschädigung nicht besteht.