12.11.2009 Strafrecht

OGH: Zur Frage der Zuständigkeit zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens, das thematisch mit einem inländischen, bereits rechtskräftig beendeten Verfahren in Zusammenhang steht

Für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen besteht gem § 55 Abs 1a ARHG Gerichtszuständigkeit, sofern das Rechtshilfeersuchen thematisch mit einem inländischen Verfahren in Zusammenhang steht, in welchem bereits Anklage erhoben wurde; die allein relevante Prämisse, dass "die Anklage eingebracht worden ist", erfährt durch die rechtskräftige Beendigung des Hauptverfahrens mittels Urteils keine Änderung


Schlagworte: Rechtshilfeersuchen, Zuständigkeit, inländisches Verfahren
Gesetze:

§ 55 ARHG, § 58 ARHG, § 57 Abs 1 EU-JZG

GZ 11 Os 65/09g, 08.09.2009

OGH: Gem § 57 Abs 1 EU-JZG richtet sich die Zuständigkeit zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens eines Mitgliedstaats der EU nach § 55 ARHG. Die von österreichischen Justizstellen zu erbringende Rechtshilfe ist grundsätzlich nach österreichischem Verfahrensrecht zu leisten; ein davon abweichendes Vorgehen ist nur nach Maßgabe des § 58 ARHG zulässig. Anknüpfend an die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen des neuen Ermittlungsverfahrens, die eine Konzentration bei den Staatsanwaltschaften vorsehen (§ 20 Abs 3 StPO), ist die Staatsanwaltschaft im Verfahren zur Leistung von Rechtshilfe gem § 55 Abs 1 erster Satz ARHG zentraler Ansprechpartner für die ersuchenden ausländischen Justizbehörden. Vernehmungen über Ersuchen einer ausländischen Justizbehörde haben die Staatsanwaltschaften somit selbst vorzunehmen oder durch die Kriminalpolizei vornehmen zu lassen. Wird hingegen um Durchführung eines Lokalaugenscheins oder einer kontradiktorischen Vernehmung ersucht, so muss die Staatsanwaltschaft gem § 101 Abs 2 iVm § 104 Abs 1 StPO das Gericht befassen, weil insoweit per se gerichtliche Zuständigkeit besteht. Gem § 55 Abs 1a ARHG hat das erkennende Gericht Auskünfte über ein Hauptverfahren sowie über die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme zu erteilen; Gleiches gilt für die Vernehmung von Personen und für die Überlassung von Akten, soweit im inländischen Verfahren bereits Anklage eingebracht worden ist und das Thema der Rechtshilfe mit dem inländischen Verfahren im Zusammenhang steht. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien ist ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die in § 55 Abs 1a ARHG angeordnete Gerichtszuständigkeit lediglich für den Zeitraum von der Einbringung der Anklage bis zur Rechtskraft des Urteils gelten soll. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ab dem Zeitpunkt der Anklageeinbringung - unter der weiteren Voraussetzung eines thematischen Zusammenhangs mit dem inländischen Verfahren - das erkennende Gericht für die Vernehmung von Personen und die Überlassung von Akten, aber auch für Auskünfte über die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme (welche erst nach eingetretener Rechtskraft des Urteils überhaupt möglich sind) zuständig; die allein relevante Prämisse, dass "die Anklage eingebracht worden ist", erfährt durch die rechtskräftige Beendigung des Hauptverfahrens mittels Urteils keine Änderung.