29.04.2010 Strafrecht

OGH: Zur Aussetzung der Entscheidung im Verfahren vor den Geschworenengerichten

Die Ansicht, eine Aussetzung sei auf Fälle "krasser Unrichtigkeit" des Wahrspruchs beschränkt, findet im Gesetz keine Stütze; dementsprechend kommt eine Aussetzung auch in "reinen Indizienprozessen" in Betracht, "in denen sich die für und gegen den Angeklagten sprechenden Beweise ungefähr die Waage halten"


Schlagworte: Aussetzung, Schwurgerichtshof
Gesetze:

§ 334 Abs 1 StPO

GZ 15 Os 162/09a, 17.02.2010

OGH: Der Schwurgerichtshof ist nach dem klaren Wortlaut des § 334 Abs 1 StPO in jedem Fall, in dem er einstimmig der Ansicht ist, dass sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, also auch dann, wenn er aufgrund anderer Würdigung der in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweise und der Aussage des Angeklagten zu diesem Ergebnis kommt, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Entscheidung - zugunsten oder zum Nachteil des Angeklagten - auszusetzen. Eine besondere Evidenz des Irrtums der Geschworenen ist nicht erforderlich; die Ansicht, eine Aussetzung sei auf Fälle "krasser Unrichtigkeit" des Wahrspruchs beschränkt, findet im Gesetz keine Stütze. Dementsprechend kommt eine Aussetzung auch in "reinen Indizienprozessen" in Betracht, "in denen sich die für und gegen den Angeklagten sprechenden Beweise ungefähr die Waage halten". Für eine Aussetzung ist auch nicht das Vorliegen "erheblicher Bedenken" iSd § 345 Abs 1 Z 10a StPO erforderlich, vielmehr darf (und muss) der Schwurgerichtshof, der - selbstverständlich stets unter Beachtung des Grundsatzes "in dubio pro reo" (§ 14 StPO) selbständig beweiswürdigend - immer dann, wenn seine Mitglieder einstimmig zur Überzeugung gelangen, dass sich die Geschworenen bei ihrem Ausspruch in der Hauptsache geirrt haben, einen aus dieser Sicht verfehlten Schuld - ebenso wie einen als verfehlt angesehenen Freispruch aussetzen.