03.06.2010 Strafrecht

OGH: Betrügerische Krida iSd § 156 StGB

Gerade bei Vergleichsverhandlungen dürfen an einen Schuldner iZm der Schilderung der eigenen Finanzlage und der Hindernisse für die Durchsetzung der Gläubigerforderung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden


Schlagworte: Betrügerische Krida
Gesetze:

§ 156 StGB

GZ 12 Os 152/09h, 11.03.2010

OGH: Eine Verringerung des Vermögens iSd § 156 StGB tritt dann nicht ein, wenn eine zu Recht bestehende Forderung beglichen wird.

Tatsächliche Verringerungen des Vermögens (wie die im Gesetz als Regelbeispiele angeführten Modalitäten des Veräußerns oder Beschädigens) schließen in der Regel einen Zugriff des Gläubigers und damit dessen Befriedigung zumindest partiell aus. Könnte die tatsächlich eingetretene Vermögensverringerung beim Dritten zB mit einer Anfechtungsklage wieder rückgängig gemacht werden, so ändert dies nichts an der bereits eingetretenen Tatbestandsverwirklichung, insoweit läge nur eine objektive Schadensgutmachung vor.

Eine scheinbare Verringerung des Vermögens begeht, wer eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt bzw anerkennt oder einen Bestandteil seines Vermögens beiseite schafft bzw verringert. Von einer sonstigen scheinbaren Verringerung des Vermögens durch wahrheitswidrige Darstellung einer reduzierten Befriedigungschance ist auszugehen, wenn die Vorspiegelung einer falschen Vermögenslage den im Gesetz beispielhaft genannten Tatmodalitäten eines Vorschützens oder Anerkennens einer nicht bestehenden Forderung bzw eines Verheimlichens oder Beiseiteschaffens von Vermögensbestandteilen inhaltlich gleichkommt.

Bei diesen Varianten der scheinbaren Vermögensverringerung wäre die Befriedigung des Gläubigers theoretisch - bei entsprechenden Recherchen über den Verbleib des Vermögens oder über die Berechtigung der Forderung von Dritter Seite - noch mittels Zwangsvollstreckung durchsetzbar. Sie wird aber faktisch ausgeschaltet, weil der Gläubiger entweder auf keine exekutiv verwertbaren Vermögensbestandteile (die verheimlicht oder beiseite geschafft wurden) mehr greifen kann oder ihm (infolge Täuschung über eine nicht existente Forderung eines Dritten) die Aussichtslosigkeit eines Zugriffs mittels Zwangsvollstreckung vorgegaukelt wird. Zur Vollendung der Tat ist es in diesen Fällen notwendig, dass der solcherart bloß scheinbar verringerte Befriedigungsfonds Gegenstand einer seine Verwertung betreffenden Disposition des Gläubigers (oder eines gerichtlichen Organs, wie des Zwangsvollstreckers) geworden ist.

Diese tatbestandsbegründende faktische Unmöglichkeit oder Aussichtslosigkeit der Durchsetzung von Ansprüchen ist nach einem objektiven Maßstab ex ante zu beurteilen. Daher muss nicht jedes unwahre Vorbringen des Täters zum vom § 156 StGB geschützten Befriedigungsfonds zwangsläufig mit einem (zumindest teilweisen) Befriedigungsausfall einhergehen, bilden doch auch sonst Übertreibungen von Rahmenbedingungen im Wirtschaftsleben keinen Kriminalisierungsfaktor. Gerade bei Vergleichsverhandlungen dürfen an einen Schuldner iZm der Schilderung der eigenen Finanzlage und der Hindernisse für die Durchsetzung der Gläubigerforderung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.

Umgekehrt setzt eine faktisch ausgeschaltete Befriedigung voraus, dass von einem Gläubiger keine weitere Eigeninitiative mehr bei der Durchsetzung seiner Forderungen verlangt werden kann. Begnügt sich ein Gläubiger schlicht mit den Angaben des Schuldners, führt dies nicht eo ipso zur Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung. Ein weiteres Tätigwerden des andrängenden Gläubigers muss vielmehr aus objektiver Sicht aussichtslos sein, etwa wenn eine Verifizierung der (unwahren) Angaben des Täters über die Vermögenslage im Geschäftsverkehr nicht verkehrsüblich wäre oder dem Gläubiger als zu aufwändig nicht zugemutet werden könnte.

In den Fällen der scheinbaren Vermögensverringerung ist überdies zu beachten, dass eine bloße Verzögerung der Befriedigung nicht ausreicht, zumal darin weder ein "Schmälern" iSe zumindest reduzierten Befriedigung noch ein "Vereiteln" iSd Herbeiführung eines totalen Befriedigungsausfalls liegt. Der Vorsatz muss auf einen Befriedigungsausfall gerichtet sein, der - wenn er eintritt - zur Vollendung der Tat führt. Demgemäß wäre der durch eine scheinbare Vermögensverringerung herbeigeführte Abschluss einer Ratenvereinbarung noch kein tatbildlicher Erfolg iSd § 156 Abs 1 StGB, es sei denn der Täterwille wäre von Anfang an auf eine - und sei es nach Zahlung einer oder mehrerer Raten - Schmälerung der Befriedigung des Gläubigers gerichtet gewesen.

Eine gegenüber einem Gläubiger wahrheitswidrig erhobene Behauptung einer das gesamte Vermögen betreffenden Exekution durch einen Dritten (zB das Vorbringen einer "Kontosperre" iSe Forderungsexekution und einer Beschlagnahme des gesamten Warenbestands durch das Finanzamt) entspricht im Wesentlichen einem aggraviert dargestellten Vorschützen einer nicht bestehenden Forderung.

Die Vortäuschung einer bereits stattgefundenen Zwangsvollstreckung bei tatsächlich bestehender Forderung eines andrängenden Dritten muss - um nach den obigen Darlegungen eine den im Gesetz genannten Regelbeispielen gleichwertige Tatmodalität zu begründen - die tatsächlich nach wie vor bestehende Befriedigungsmöglichkeit des düpierten Gläubigers gemessen an objektiven Bezugspunkten de facto aussichtslos erscheinen lassen und zu einem zumindest partiellen Verzicht auf die Durchsetzung der eigenen Ansprüche führen.

Eine zwei Tage später tatsächlich vollzogene Exekution durch das Finanzamt hinsichtlich einer Forderung von 754.684,54 EUR würde der wahrheitswidrigen Darstellung einer bereits stattgefundenen Zwangsvollstreckung bei einer Kenntnis des Angeklagten von einem unmittelbar bevorstehenden Zugriff der Abgabenbehörde den Charakter einer bloßen - iSd § 156 StGB straflosen - Übertreibung verleihen.

Es gibt keine Konstatierungen zum Wissensstand der geschädigten P***** GmbH über dieses den Nichtigkeitswerber betreffende Abgabenverfahren und damit über deren Kenntnis von einer beträchtlichen gegen den Bf bestehenden und die eigenen Befriedigungsmöglichkeiten objektiv beeinträchtigenden Abgabenschuld. Ließe sich ein derartiges Wissen der Privatbeteiligten um das sich abzeichnende Finanzdebakel des Rechtsmittelwerbers konstatieren, könnte bei gebotener objektiver Betrachtung von einer scheinbaren Verringerung des Vermögens durch wahrheitswidrige Darstellung einer reduzierten Befriedigungschance nicht gesprochen werden.