22.07.2010 Strafrecht

OGH: § 229 StPO - Ausschluss der Öffentlichkeit und Verkündung des Urteils

Die zwingende gesetzliche Anordnung des § 229 Abs 4 StPO ist dahin zu verstehen, dass deren Verletzung als Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der "Hauptverhandlung" zu sehen ist und solcherart Urteilsnichtigkeit nach § 228 Abs 1 StPO zur Folge hat


Schlagworte: Ausschluss der Öffentlichkeit, Verkündung des Urteils
Gesetze:

§ 229 StPO

GZ 14 Os 55/10k, 18.05.2010

OGH: Die Verfahrensrüge zeigt zutreffend auf, dass nach der Aktenlage die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gem § 229 Abs 1 Z 2 StPO ausgeschlossen und anlässlich der Verkündung des Urteils nicht wiederhergestellt worden ist.

In Umsetzung der diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art 90 Abs 1 B-VG, Art 6 Abs 1 MRK) normiert § 228 Abs 1 StPO, dass die Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit öffentlich ist. Aus Sicht der Verfassung prinzipiell zulässige (Art 90 Abs 1 zweiter Satz B-VG, Art 6 Abs 1 zweiter Satz MRK) Ausnahmen von diesem Grundsatz enthält § 229 Abs 1 StPO, wobei die Verkündung des Urteils - unabhängig vom allfälligen Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlusses der Öffentlichkeit - gem § 229 Abs 4 StPO stets in öffentlicher Sitzung zu erfolgen hat (vgl auch Art 6 Abs 1 zweiter Satz MRK).

Wenngleich § 257 StPO die Urteilsfällung nach dem Schluss der "Verhandlung" vorsieht und § 268 StPO nur von der Urteilsverkündung in öffentlicher "Sitzung" spricht, bezieht der OGH die auf die Hauptverhandlung zielenden nichtigkeitsbewehrten Verfahrensgarantien auch auf die Urteilsverkündung. Demgemäß ist die zwingende gesetzliche Anordnung des § 229 Abs 4 StPO dahin zu verstehen, dass deren Verletzung als Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der "Hauptverhandlung" zu sehen ist und solcherart Urteilsnichtigkeit nach § 228 Abs 1 StPO zur Folge hat.

Zu dieser Sicht führt im Übrigen schon die verfassungskonforme Interpretation der §§ 228 f StPO, weil andernfalls die grundrechtliche Garantie der öffentlichen Urteilsverkündung (Art 6 Abs 1 zweiter Satz MRK) im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren nicht durchsetzbar wäre.