05.08.2010 Strafrecht

OGH: Grundrechtsbeschwerde - Verletzung des Beschleunigungsgebots (hier: iZm Enthaftungsantrag)

Trifft das Gericht nach § 176 Abs 1 Z 2 iVm § 175 Abs 5 StPO die Pflicht, über einen sog Enthaftungsantrag unverzüglich zu entscheiden und haben nach § 177 Abs 1 erster Satz StPO sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauere, so kann nicht zweifelhaft sein, dass eine ohne ersichtlichen Grund erst am 11. Tag nach Einlangen (nach gerichtlicher Urgenz) übermittelte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht; dass Ostern in diesen Zeitraum fiel, spielt keine entscheidende Rolle


Schlagworte: Grundrechtsbeschwerde, Untersuchungshaft, Enthaftungsantrag, Verletzung des Beschleunigungsgebots
Gesetze:

§ 1 GRBG, § 2 GRBG, § 9 StPO, § 177 StPO

GZ 13 Os 57/10x, 17.06.2010

OGH: Die eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) behauptende Grundrechtsbeschwerde ist allein aufgrund des Umstands, dass in ihr der Tag, der für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich ist, nicht angeführt und somit gegen das Formgebot des § 3 Abs 1 letzter Satz GRBG verstoßen wurde, nach nunmehriger Rsp nicht als unzulässig anzusehen.

Zu Recht wirft die Grundrechtsbeschwerde dem OLG eine aus dem besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen resultierende Grundrechtsverletzung vor.

Eine solche ist stets gegeben, wenn eine haftrelevante Vorschrift in letzter Instanz missachtet oder deren Missachtung durch eine Unterinstanz nicht festgestellt und bereinigt, erforderlichenfalls ausgeglichen wurde. Denn aufgrund des in Art 5 Abs 1 MRK genannten Erfordernisses "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise" schlagen Verletzungen einfachgesetzlicher Vorschriften direkt auf die Frage einer Verletzung des Grundrechts auf Freiheit und Sicherheit durch.

Bei Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen durch die Staatsanwaltschaft hat das angerufene OLG Abhilfe durch einen konkreten Auftrag an diese zu schaffen. Hat die Staatsanwaltschaft das zunächst Versäumte inzwischen nachgeholt, obliegt es dem OLG, nach Möglichkeit die Folgen der Säumnis zu beseitigen, um ein Fortwirken der Verzögerung hintanzuhalten.

Trifft das Gericht nach § 176 Abs 1 Z 2 iVm § 175 Abs 5 StPO die Pflicht, über einen sog Enthaftungsantrag unverzüglich zu entscheiden und haben nach § 177 Abs 1 erster Satz StPO sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauere, so kann nicht zweifelhaft sein, dass eine ohne ersichtlichen Grund erst am 11. Tag nach Einlangen (nach gerichtlicher Urgenz) übermittelte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Dass Ostern in diesen Zeitraum fiel, spielt keine entscheidende Rolle. Wenngleich dem OLG vorliegend keine rechtliche Möglichkeit offen stand, die Grundrechtsverletzung auszugleichen (neuerliche Haftentscheidung hätte dazu nichts beigetragen), hätte sie jedoch jedenfalls anerkannt werden müssen.