02.09.2010 Strafrecht

OGH: Erneuerung des Strafverfahrens aufgrund Grundrechtsverletzung gem § 363a StPO

Die bloß behauptete auf die Erwirkung belastender Aussagen gegen den Beschuldigten gerichtete Ausübung rechtswidrigen Drucks auf Zeugen per se, ohne dass derartige Beweisergebnisse tatsächlich herbeigeführt oder im Strafverfahren verwertet worden wären, bewirkt nicht bereits eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK und legt damit auch nicht eine Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO deutlich und bestimmt dar


Schlagworte: Erneuerung des Strafverfahrens, Grundrechtsverletzung
Gesetze:

§ 363a StPO

GZ 15 Os 127/09d, 30.06.2010

OGH: Für einen nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich solcherart um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß. Damit ist (auch) die Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art 35 Abs 1 MRK) ein Zulässigkeitskriterium für den in Rede stehenden Erneuerungsantrag. Diesem Erfordernis wird indes nur dann entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und (horizontale Erschöpfung) die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde.

Nach § 106 Abs 3 zweiter Satz StPO ist im Einspruch wegen Rechtsverletzung anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welcher Weise ihm stattzugeben sei. Im Einspruch ist daher die Verletzung in einem subjektiven Recht darzulegen und solcherart die Behauptung, in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, zu begründen. Die (erst) im Erneuerungsantrag vorgebrachte rechtswidrige Ausübung von Druck auf die beiden Zeugen, "um belastende Aussagen gegen ihn als Beschuldigten zu erwirken", wurde im Einspruch gar nicht bzw bloß spekulativ (und somit dem erwähnten Begründungserfordernis ebenso nicht entsprechend) behauptet. Mangels eines den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften entsprechenden Vorbringens im Instanzenzug ist daher eine horizontale Rechtswegerschöpfung nicht eingetreten.

Im Übrigen hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Bf substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein - auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen OGH sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei.

Auch diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Erneuerungsantrag nicht. Weshalb nämlich die bloß behauptete auf die Erwirkung belastender Aussagen gegen den Beschuldigten gerichtete Ausübung rechtswidrigen Drucks auf Zeugen per se - ohne dass derartige Beweisergebnisse tatsächlich herbeigeführt oder im Strafverfahren verwertet worden wären - bereits eine Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK (iSe - etwa im Fall der Ausübung behördlichen Zwangs zur Herausgabe selbstbelastender Beweismittel durch die weigerungsbedingte Sanktionsverhängung vermittelten - effektiven Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Grundrechtsträgers) bewirken soll, erklärt der Erneuerungswerber nicht.