30.09.2010 Strafrecht

OGH: Verlängerung der Probezeit und unverzügliche Verständigung des erkennenden Gerichts nach § 494a Abs 7 StPO

Die Pflicht zur Verständigung soll sicherstellen, dass das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht (des früheren Verfahrens) keine Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt; dieser Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn die vorgeschriebene Information unverzüglich, sohin unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft vorgenommen wird


Schlagworte: Widerruf einer bedingten Nachsicht, Verlängerung der Probezeit, unverzügliche Verständigung des erkennenden Gerichts
Gesetze:

§ 494a Abs 7 StPO

GZ 15 Os 97/10v, 11.08.2010

Mit rechtskräftigem Beschluss des LG Innsbruck als Vollzugsgericht vom 5. Dezember 2006, GZ 23 BE 29/06a-6, wurde G gem § 46 Abs 2 StGB aus dem Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen (mit einem Strafrest von zwei Monaten) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren mit Wirkung vom 2. Jänner 2007 bedingt entlassen.

Mit - auch Freisprüche enthaltendem - Urteil des BG Innsbruck vom 4. August 2009, GZ 7 U 49/08s-20, wurde G des (während der Probezeit begangenen) Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt. Zugleich fasste die Bezirksrichterin den Beschluss, vom Widerruf der im Verfahren AZ 23 BE 29/06a des LG Innsbruck gewährten bedingten Entlassung abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (§ 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO). Die im § 494a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des LG Innsbruck als Vollzugsgericht von dieser Probezeitverlängerung unterblieb (und wurde vielmehr erst nach Rechtskraft des Urteils in der Endverfügung vom 31. März 2010 angeordnet).

OGH: Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt der Vorgang, dass es das BG Innsbruck unterließ, von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 4. August 2009 (unter Absehen vom Widerruf der G im Verfahren AZ 23 BE 29/06a des LG Innsbruck gewährten bedingten Entlassung) gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit unverzüglich das Vollzugsgericht in Kenntnis zu setzen, § 494a Abs 7 StPO, wonach das erkennende Gericht all jene Gerichte unverzüglich zu verständigen hat, deren Vorentscheidungen von einer Entscheidung nach § 494a Abs 1 und 6 StPO betroffen sind. Diese Pflicht zur Verständigung soll sicherstellen, dass das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht (des früheren Verfahrens) keine Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt; dieser Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn die vorgeschriebene Information unverzüglich, sohin unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft vorgenommen wird. Das BG Innsbruck hätte daher sogleich nach Fassung seines Probezeitverlängerungsbeschlusses - und nicht erst im Zuge der Endverfügung vom 31. März 2010 - das Vollzugsgericht davon in Kenntnis setzen müssen.

Der Beschluss des LG Innsbruck als Vollzugsgericht vom 17. Februar 2010 auf endgültige Entlassung noch vor Ablauf der (verlängerten) Probezeit stellt hingegen keine Gesetzesverletzung dar. Denn soweit das Gericht von objektiv unrichtigen Tatumständen ausgeht, handelt es nur dann gesetzwidrig, wenn die tatsächliche Entscheidungsgrundlage aufgrund eines rechtlich mangelhaften Verfahrens zu Stande gekommen oder mit formalen Begründungsmängeln behaftet ist. Ist hingegen die Ermittlung des Sachverhalts - wie fallaktuell in dem zur Beschlussfassung führenden Verfahren des LG Innsbruck als Vollzugsgericht - nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien rechtlich nicht zu beanstanden, liegt keine Gesetzwidrigkeit vor.

Der Beschluss des BG Innsbruck auf Verlängerung der Probezeit ist durch die endgültige Strafnachsicht wirkungslos geworden. Es wird daher diesem Gericht obliegen, das Strafregisteramt hievon in Kenntnis zu setzen.