11.11.2010 Strafrecht

OGH: Untersuchungshaft (hier: wegen Fluchtgefahr) und Grundrechtsbeschwerde

Bestimmte Tatsachen können äußere und innere Umstände (wie Charaktereigenschaften und Wesenszüge) sein, die sich aus dem aktuellen Einzelfall ergeben müssen und nicht bloß allgemeine Erfahrungstatsachen darstellen dürfen


Schlagworte: Grundrechtsbeschwerde, Untersuchungshaft, Fluchtgefahr, bestimmte Tatsachen, Verhältnismäßigkeit
Gesetze:

§ 173 StPO, § 174 StPO, § 1 GRBG, § 2 GRBG

GZ 14 Os 133/10f, 01.10.2010

OGH: Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die rechtliche Annahme von Fluchtgefahr als eine der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren vom OGH nur dahin überprüft werden, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (§ 174 Abs 3 Z 4 StPO; worunter das Gesetz die deutliche Bezeichnung der den Ausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen - hier einer hohen Wahrscheinlichkeit von Flucht - tragenden Gründe versteht) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste. Denn § 173 Abs 2 StPO verlangt nur, dass die herangezogenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen, kennt als Vergleichsbasis des Willkürverbots mithin nur die in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen, weshalb auch eine bei dieser Prognose unterbliebene Erwähnung einzelner aus Sicht des Bf erörterungsbedürftiger Umstände nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden kann. Bestimmte Tatsachen können äußere und innere Umstände (wie Charaktereigenschaften und Wesenszüge) sein, die sich aus dem aktuellen Einzelfall ergeben müssen und nicht bloß allgemeine Erfahrungstatsachen darstellen dürfen.

Frühere Versuche, sich der Strafverfolgung zu entziehen, konnten in die Erwägungen einbezogen werden, weil die vom OLG thematisierte Sicherung der Strafvollstreckung gleichwertiger Zweck der Untersuchungshaft ist.

Soweit der Bf seine "mögliche Vollzugsuntauglichkeit" moniert, hat das OLG mit Recht darauf verwiesen, dass eine solche nicht Gegenstand der Prüfung im Rahmen der Untersuchungshaft ist.

Eine allfällige Aussicht auf bedingte Strafnachsicht ist für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bedeutungslos.