18.11.2010 Strafrecht

OGH: Zur Abgrenzung Betrug - Diebstahl

Für die Abgrenzung der Tatbestände des Betrugs und des Diebstahls ist essentiell, ob die Schädigung fremden Vermögens durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt wird oder ob sich die Sache, deren Zueignung dem Täter zur Last liegt, im Tatzeitpunkt (noch) im Gewahrsam eines anderen befunden hat; nur in diesem Fall ist die Sachwegnahme regelmäßig als Diebstahl - und nicht als Betrug - zu beurteilen


Schlagworte: Betrug, Diebstahl, Abgrenzung, Gewahrsam
Gesetze:

§ 146 StGB, § 127 StGB

GZ 14 Os 126/10a, 28.09.2010

OGH: Für die Abgrenzung der Tatbestände des Betrugs und des Diebstahls ist essentiell, ob die Schädigung fremden Vermögens durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt wird oder ob sich die Sache, deren Zueignung dem Täter zur Last liegt, im Tatzeitpunkt (noch) im Gewahrsam eines anderen befunden hat. Nur in diesem Fall ist die Sachwegnahme regelmäßig als Diebstahl - und nicht als Betrug - zu beurteilen. Der Gewahrsamsbegriff knüpft als faktisch-normativer Begriff an die mit Herrschaftswillen verbundene tatsächliche Sachherrschaft an. Dieses Verhältnis erfordert keine greifbare Nähe zur Sache. Vielmehr reicht auch jede Form eines sog gelockerten Gewahrsams iSe sozialen Zuordnung eines Gegenstands zu einer Person. Die im Gewahrsam befindliche Sache muss auch bei fehlender körperlicher Anwesenheit des Gewahrsamsträgers diesem kraft sozialer Zuschreibungsmomente zuordenbar sein. Wesentliches (eher eng zu fassendes) Kriterium ist die potentielle Überwachung durch die übergeordneten Gewahrsam ausübende Person. Diese Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit iSd sozialen Zuschreibung darf sich für den unmittelbaren Sachinhaber nicht bloß als abstrakt-theoretische Variante darstellen. Umgekehrt ist aber eine permanente tatsächliche Kontrolle ebensowenig geboten, um sich schon bestehenden Mitgewahrsam zu erhalten. Es genügt insoweit eine rasch realisierbare Nachschau durch die übergeordneten Gewahrsam ausübende Person. Dass jemand anderer noch näher an der Sache ist und diese unmittelbar in Händen hält, vermag den bisherigen Gewahrsam nicht eo ipso aufzuheben.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war auf Basis der Urteilsfeststellungen ein solcher gelockerter Gewahrsam gegeben, weil der Geschädigte dem Angeklagten (er gab vor, Polizist zu sein und eine "Falschgeldkontrolle" durchzuführen) das Geld lediglich zur Durchführung einer Kontrolle in seiner unmittelbaren Nähe und zur anschließenden (unmittelbar darauf folgenden) Rückgabe ausfolgte. Demnach führte die Täuschung nur zu einer Gewahrsamslockerung, der Gewahrsamsbruch wurde erst durch eine nachfolgende Handlung (der Angeklagt lief mit dem Geld davon) bewirkt. Die eigenmächtige, wenn auch durch ein Täuschungsverhalten erleichterte Begründung von Alleingewahrsam an der Sache stellt aber Diebstahl und nicht Betrug dar, sodass das Erstgericht den Sachverhalt rechtsrichtig als ("listig vorbereiteten" oder "listig verdeckten") Diebstahl qualifizierte.