02.12.2010 Strafrecht

OGH: Strafbemessung - zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO

Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falls der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tatgerecht und tätergerecht oder unvertretbar und unangemessen ist, sondern darauf, ob gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoßen wurde, dh ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der - ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen


Schlagworte: Nichtigkeitsbeschwerde, Strafbemessung
Gesetze:

§ 281 Abs 1 Z 11 StPO, §§ 32 ff StGB

GZ 12 Os 177/09k, 07.10.2010

OGH: Schon die bloß beispielhafte Aufzählung der Strafbemessungsregeln in §§ 32 ff StGB zeigt unmissverständlich, dass das Gesetz die Strafzumessung nicht bloß als strengen Gesetzesvollzug im Wege exakter Subsumtion, sondern auch als richterlichen Gestaltungsakt sieht. Während es daher bei der rechtlichen Subsumtion des festgestellten Schuldsachverhalts nur eine, nämlich die richtige Lösung geben kann, gibt es keine von Rechts wegen einzig richtige Lösung der Straffrage. Nichts anderes gilt bei anderen, wenngleich ebenfalls nicht freien, sondern rechtlich gebundenen Ermessensentscheidungen im Sanktionenbereich. Daher beschränkt sich auch das Berufungsurteil nicht auf eine Kontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern stellt einen an deren Stelle tretenden Ausspruch dar. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Strafdrohungen (§ 1 Abs 1 StGB) sind die Vorschriften über die Strafbemessung, gesamthaft betrachtet, (gesetzes-)planmäßig nicht auf eine Lösung nach dem Ja/Nein-Schema ausgerichtet. Die Sicherstellung einer angemessenen Strafe ist weder Gegenstand des zweiten noch des dritten Falls der Z 11.

Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falls der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt sohin nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tatgerecht und tätergerecht oder unvertretbar und unangemessen ist, sondern darauf, ob gegen Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoßen wurde, dh ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der - ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen.

Die von der Generalprokuratur auf Grundlage des - gekürzt ausgefertigten - Urteils ohne Rücksicht auf das durch zwei einschlägige (jeweils auch § 269 StGB beinhaltende) Vorverurteilungen und einen raschen Rückfall erheblich getrübte Vorleben vorgenommene Bewertung der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Carina M als maximal durchschnittlich und der daraus abgeleitete Einwand eines exzessiv überhöhten Strafausspruchs vermag daher mangels Vorliegens einer dem Strafbemessungsvorgang zu Grunde liegenden groben Verkennung gesetzlicher Vorgaben weder den Nichtigkeitsgrund des dritten Falles der Z 11 noch eine dem Ermessensbereich entrückte (und nur solcherart mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anfechtbare) Verletzung des § 32 StGB zu begründen.