02.07.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Ersitzung eines Wegerechts

Es kommt nicht darauf an, ob der belastete Grundstückseigentümer die Benützung eines Weges aus verwandtschaftlicher Rücksicht gebilligt hat oder nicht; vielmehr ist maßgebend, ob der Besitzer dem Inhalt nach ein Gehrecht ausgeübt hat


Schlagworte: Ersitzung, Grunddienstbarkeit, Wegerecht, Verwandtschaft
Gesetze:

§§ 1452 ff ABGB, §§ 472 ff ABGB

GZ 8 Ob 51/12a [1], 30.05.2012

 

OGH: Grundvoraussetzung jeder Ersitzung ist der Besitz eines Rechts oder der Sache, die ersessen werden soll; die bloße Innehabung genügt hingegen nicht. Richtig ist, dass der Besitz auch den entsprechenden Besitzwillen erfordert. Ein Recht wird besessen, wenn es objektiv erkennbar gegen jemanden in Anspruch genommen wird und dieser sich fügt.

 

Der Beklagte missversteht den Rechtssatz zu RIS-Justiz RS0118984, wonach die Benützung eines Weges aufgrund von verwandtschaftlichen oder rechtsgeschäftlichen Beziehungen den für das Vorliegen von Besitz notwendigen Besitzwillen ausschließe. Es kommt nicht darauf an, ob der belastete Grundstückseigentümer die Benützung eines Weges aus verwandtschaftlicher Rücksicht gebilligt hat oder nicht. Vielmehr ist maßgebend, ob der Besitzer dem Inhalt nach ein Gehrecht ausgeübt hat. Zur Beurteilung dieser Frage ist entscheidend, zu welchem Zweck der Anspruchsteller den Weg in Anspruch genommen hat. Dementsprechend wird im erwähnten Rechtssatz klargestellt, dass derjenige kein Recht auf die Benützung des Weges in Anspruch nimmt, der über das Grundstück geht, um den Eigentümer des Grundstücks zu besuchen oder mit diesem ein Rechtsgeschäft abzuschließen bzw das Rechtsgeschäft auszuführen.

 

Nach den Feststellungen hat die Klägerin die fragliche Wegstrecke zum eigenen Nutzen verwendet, um gewisse Ziele schneller und bequemer zu erreichen. Auch Besucher sind auf diese Weise einfacher zur Klägerin gekommen. Danach besteht kein Zweifel, dass die Klägerin eine Grunddienstbarkeit ausgeübt hat.

 

Die Ausübung des Gehrechts durch die Klägerin zu ihrem Eigennutzen hat schon mit ihrem Einzug in ihr neu errichtetes Haus im Jahr 1969, jedenfalls aber mit der tatsächlichen Aufgabe der Ausübung des Wohnungsrechts im Haus *****, begonnen. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es auf die grundbücherliche Löschung des Wohnungsrechts (im Jahr 1991) nicht an.

 

Auch zu den übrigen Voraussetzungen für die Ersitzung und zum behaupteten gutgläubigen lastenfreien Erwerb zeigt der Beklagte, der in der Revision teilweise von der Sachverhaltsgrundlage abweicht, keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nach den Feststellungen hat selbst er, der erst im Jahr 1991 Eigentümer des fraglichen Grundstücks wurde, die Klägerin über den Weg gehen gesehen, obwohl er nie im Haus ***** gewohnt hatte. Warum er sich, dazu noch als Geschenknehmer (vgl RIS-Justiz RS0117411), auf den Gutglaubensschutz berufen will, ist nicht verständlich.

 

Insgesamt erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin die Grunddienstbarkeit des näher beschriebenen Gehrechts ersessen habe, als nicht korrekturbedürftig.