15.11.2016 Strafrecht

OGH: § 114 StPO – Ausfolgung sichergestellter Gegenstände

Grundsätzlich sind die Gegenstände an jene Person herauszugeben, aus deren Verfügungsmacht sie entzogen wurden, es sei denn, dass diese Person offenkundig gar keine Berechtigung über den betreffenden Gegenstand hat; bloße Zweifel an der Verfügungsberechtigung dieser Person rechtfertigen es nicht, die Herausgabe zu verweigern


Schlagworte: Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung sichergestellter Gegenstände
Gesetze:

 

§ 114 StPO, § 115 StPO

 

GZ 15 Os 34/16p [1], 07.09.2016

 

OGH: Zu den Beschlüssen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. Juni 2015 und des Oberlandesgerichts Wien vom 16. September 2015:

 

Ihnen zuwider steht nicht die Aufhebung einer (der Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei obliegenden) Sicherstellung, sondern die Aufhebung einer (gerichtlichen) Beschlagnahme in Rede. Wenngleich hiefür primär § 115 Abs 6 StPO gilt, ist aber auch § 114 Abs 2 letzter Fall StPO sinngemäß anzuwenden.

 

Die im Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien an die Aufhebung der „Sicherstellung“ (richtig: Beschlagnahme) anschließende, von diesem auf § 114 Abs 2 StPO gestützte Anordnung des Inhalts, „das beim Antragsteller verwahrte gegenständliche Ölbild“ dem Landesgericht für Strafsachen Wien „auszufolgen“, um es in der Folge gem § 1425 ABGB zu hinterlegen, kann sich nicht auf die bezogene Gesetzesstelle stützen.

 

Die Ansicht des OLG, es handle sich (bei den Räumlichkeiten des Erneuerungswerbers) um den „Verwahrungsort“ des sichergestellten Gegenstands, weil durch die „Aufforderung, das Gemälde weiter (bei sich) zu verwahren, […] der dadurch sichergestellte Gegenstand“ in den Räumlichkeiten des Roman He***** „verwahrt“ wurde, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

 

Zudem ist gem § 114 Abs 2 erster Satz StPO eine sichergestellte Sache der Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurde, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. Die in der Begründung der befassten Gerichte zum Ausdruck kommende Rechtsmeinung, die Frage des Eigentümers sei „keineswegs offensichtlich“ und es bestünden „berechtigte Zweifel an der Berechtigung des Antragstellers“ verfehlt den gesetzlichen Maßstab. Denn grundsätzlich sind die Gegenstände an jene Person herauszugeben, aus deren Verfügungsmacht sie entzogen wurden, es sei denn, dass diese Person offenkundig gar keine Berechtigung über den betreffenden Gegenstand hat.

 

Bleibt anzumerken, dass sich eine Deutung des Beschlusses ON 110, Roman He***** habe das bei ihm verwahrte Ölgemälde an das Landesgericht für Strafsachen Wien auszufolgen, als Aufforderung zur Herausgabe zum Zweck der Beschlagnahme zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche gem §§ 115 Abs 1 Z 2 iVm § 111 Abs 1 StPO, – abgesehen vom Fehlen des erforderlichen Beschlussinhalts (§ 86 Abs 1 StPO) – weder mit dem die Aufhebung der Sicherstellung anordnenden Spruch noch mit der das Erfordernis einer Sicherstellung/Beschlagnahme verneinenden Begründung („... doch kein staatliches Zwangsmittel begründet“) in Einklang bringen lässt.

 

Der das Gesetz verletzende Ausfolgungs- und Hinterlegungsauftrag und die diesen bestätigende Beschwerdeentscheidung waren daher zur Klarstellung ersatzlos aufzuheben.