13.07.2011 Zivilrecht

OGH: Entziehung der Obsorge gem § 176 ABGB

Das Kindeswohl ist gefährdet, wenn die Obsorgepflicht nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt wird oder sonst schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährdet werden, wobei die objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung genügt, ohne dass ein subjektives Schuldelement hinzutreten müsste


Schlagworte: Familienrecht, Entziehung / Einschränkung der Obsorge, Kindeswohl, Gefährdung, Jugendwohlfahrtsträger
Gesetze:

§ 176 ABGB, § 213 ABGB

GZ 7 Ob 25/11v [1], 09.03.2011

 

OGH: Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob den Eltern (hier der außerehelichen Mutter) nach § 176 Abs 1 ABGB die Obsorge zu entziehen und gem § 213 ABGB dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Die Entziehung der Obsorge ist nur bei Gefährdung des Kindeswohls vorzunehmen; ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen setzt also voraus, dass er im Interesse des Kindes dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Frage ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Die Änderung der Obsorgeverhältnisse darf nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs angeordnet werden und bedarf besonders wichtiger Gründe, die im Interesse des Kindes eine so einschneidende Maßnahme dringend geboten erscheinen lassen, weil andernfalls das Wohl des pflegebefohlenen Kindes gefährdet wäre. Das Kindeswohl ist gefährdet, wenn die Obsorgepflicht nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt wird oder sonst schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährdet werden, wobei die objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung genügt, ohne dass ein subjektives Schuldelement hinzutreten müsste. Die Entziehung (allenfalls auch nur Einschränkung) der Obsorge ist demnach dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist. Bei der Entscheidung ist nicht nur von der momentanen Situation auszugehen, sondern es sind auch Zukunftsprognosen zu stellen.

 

Der Jugendwohlfahrtsträger ist gem § 213 ABGB nur subsidiär zu Verwandten, anderen nahestehenden Personen oder sonst besonders geeigneten Personen mit der (Teil-)Obsorge zu betrauen.