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13.05.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten iZm der Verwertung eines beschädigten Fahrzeugs, insbesondere zur Verweisung des Geschädigten auf einen privaten auch überregionalen (Sonder-)Markt

Der überregionale Markt ist für den Geschädigten nur dann maßgeblich, wenn ihm ein Offert „auf dem Silbertablett serviert“ wird; in einem solchen Fall ist hinsichtlich des Restwerts auf den innerhalb der Bindungsfrist erzielbaren Höchstpreis abzustellen; ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann - trotz des legitimen Interesses des Geschädigten an einer raschen Schadensabwicklung - darin liegen, dass der Geschädigte ohne gute Gründe ein ihn überhaupt nicht belastendes Anbot, das Wrack derart zu verwerten, ausschlägt; dies setzt aber ein für den Geschädigten, der nicht ungebührlich benachteiligt werden soll, mit keinerlei zusätzlichen Mühen verbundenes Kaufanbot, das vom Haftpflichtversicherer präsentiert werden muss, voraus; das ist etwa dann der Fall, wenn ein verbindlich erklärtes Anbot eine sieben- bis zehntägige Überlegungsfrist einräumt und den Geschädigten nach dessen Inhalt keine weiteren Aufwendungen und Risiken treffen; eine Nachfrageobliegenheit des Geschädigten ist nur dann zu bejahen, wenn dem Geschädigten alle maßgeblichen Werte vorliegen und dieser Kenntnis davon hat, dass der Wrackwert auf dem regionalen Markt signifikant unter einem vorgelegten Angebot der Restwertbörse liegt; die Marktforschung kann dem Geschädigten nicht abverlangt werden; der nicht entschädigungspflichtige Zeitaufwand des Geschädigten muss auf ein Minimum begrenzt werden, weshalb den Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten die Verpflichtung zur begleitenden Information und Aufklärung trifft; diese besteht, sobald er von einem Schadensfall Kenntnis erlangt oder erlangen musste, für den er grundsätzlich einstehen muss; in diesem Fall hat er den Geschädigten auf die Preisspreizung am Markt sowie darauf hinzuweisen, dass er in der Lage sein wird, innerhalb einer knapp bemessenen Frist von einer Woche oder zehn Tagen ein gegenüber dem Erlös bei Veräußerung oder Inzahlunggabe auf dem lokalen Markt deutlich höheres und mit keinen zusätzlichen Mehrkosten verbundenes Angebot vorzulegen; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Geschädigte berechtigt, das Wrack ohne Verletzung der Schadensminderungspflicht an den lokalen Gebrauchtwagenhändler zu veräußern


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Schadensminderungspflicht, Verwertung eines beschädigten Fahrzeugs, Kfz-Versicherung, Verweisung des Geschädigten auf überregionalen Markt
Gesetze:

§ 1304 ABGB, §§ 1295 ff ABGB

GZ 2 Ob 18/13f [1], 14.03.2013

 

Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, für die Beklagte habe kein Anlass bestanden, der Klägerin allfällige höhere Erlöse für das Wrack über die Wrackbörse mitzuteilen, weil die Klägerin der Beklagten ursprünglich ihre Reparaturabsicht mitgeteilt habe. Der Klägerin wäre zumutbar gewesen, den Schädiger (bzw die Beklagte als Haftpflichtversicherer) von der Absicht, das Fahrzeug unrepariert verkaufen zu wollen, zu verständigen. Die Unterlassung dieser Verständigung bilde eine die Klägerin treffende Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht.

 

OGH: Die Klägerin wusste nichts von einer Internetplattform für den Verkauf von Autowracks an Privatpersonen. Dass die Klägerin überhaupt von einem Markt zwischen Privatpersonen, auf dem höhere Wrackerlöse als beim Verkauf an einen lokalen Händler bzw eine lokale Werkstatt zu erzielen sind, wusste, hat die Beklagte nicht vorgebracht und steht auch nicht fest. Diese Unkenntnis ist bzw wäre der Klägerin als Laiin nicht vorzuwerfen.

 

Hätte die Klägerin das Wrack reparieren lassen, hätte sie jedenfalls Anspruch auf die vollen Reparaturkosten und die Wertminderung (insgesamt 21.817,08 EUR) gehabt, da ein Totalschaden nicht vorlag. Hätte die Beklagte der Klägerin ein Angebot eines (über das Internet von der Beklagten vermittelten) Privaten, das Wrack um 14.760 EUR zu kaufen, „auf dem Silbertablett“ übermittelt, hätte die Klägerin nach ihrer Willensänderung, das Fahrzeug nicht selbst reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, uU gegen die sie treffende Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie dieses Angebot nicht angenommen hätte. Diesfalls hätte die Klägerin nur Anspruch auf die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Angebotspreis des Privaten.

 

Da aber die Klägerin von dem „Privatmarkt“ mit höheren Angeboten nichts wusste oder nichts wissen musste, konnte bzw musste sie auch nicht wissen, dass sie mit ihrer der Beklagten zunächst nicht bekanntgegebenen Willensänderung, das Wrack nicht reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, der Beklagten die Möglichkeit nahm, über das Internet - schadensmindernd - höhere Kaufangebote einzuholen und der Klägerin „auf dem Silbertablett“ zu präsentieren.

 

Die Unterlassung der Mitteilung an die Beklagte, das Wrack nicht reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, ist daher - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - der Klägerin nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht anzulasten. Auch Ch. Huber, ZVR 2011, 303 (304; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 162/10p) nimmt eine Nachfrageobliegenheit des Geschädigten, der sich nach Vorliegen der maßgeblichen Werte letztlich für die Totalschadensabrechnung entscheidet, beim gegnerischen Haftpflichtversicherer allenfalls nur dann an, wenn der Geschädigte Kenntnis von höher erzielbaren Angeboten in der Restwertbörse hat.

 

Um eine solche Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten anzunehmen, müsste der Haftpflichtversicherer vom zunächst reparaturwilligen Geschädigten verlangen, dass dieser im Fall, dass er es sich anders überlegen sollte und doch nicht reparieren lassen, sondern unrepariert verkaufen wolle, den Versicherer darüber informiere und ihm so ermögliche, höhere Angebote als auf dem lokalen Kfz-Händlermarkt zu präsentieren (zur Notwendigkeit umfassender Information des ersatzberechtigten Geschädigten durch den Versicherer vgl auch Ch. Huber, ZVR 2011, 303 [304; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 162/10p]).

 

Die hier vertretenen Grundsätze entsprechen im Übrigen der einschlägigen Rsp des deutschen BGH.