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02.02.2016 Zivilrecht

OGH: Baufällige Grenzmauer – nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB?

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, auf das Nachbarrecht gestützte Unterlassungsansprüche des einen Miteigentümers gegen den anderen Miteigentümer der gemeinsamen Sache (Grenzmauer) zu versagen, entspricht den Grundsätzen der Rsp


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, baufällige Grenzmauer, Unterlassungsanspruch, ideelles Eigentum
Gesetze:

 

§ 364 ABGB, §§ 854 ff ABGB, §§ 825 ff ABGB

 

GZ 3 Ob 201/15b [1], 16.12.2015

 

OGH: Unter der Überschrift „vermutete Gemeinschaft“ regelt das Gesetz in den §§ 854 bis 858 ABGB die Rechtsverhältnisse an Scheidewänden. Es unterscheidet zwischen solchen im Alleineigentum und solchen, bei denen Gemeinschaft des Eigentums vermutet wird. Gem § 854 ABGB besteht im Zweifel „gemeinschaftliches Eigentum“ etwa an Zäunen, Mauern oder anderen Scheidewänden, die sich „zwischen“ benachbarten Grundstücken befinden. Dies wird überwiegend als ideelles Eigentum nach den §§ 825 ff ABGB verstanden. In diesen Fällen tritt das Miteigentum an der Scheidewand mit dem bis zur Grundgrenze reichenden Alleineigentum der Nachbarn an ihren Grundstücken in eine „eigentümliche“ Verbindung; dieses erscheint als Akzessorium des Alleineigentums an den benachbarten Grundstücken.

 

Der Begriff der Grenzeinrichtung (Scheidewand) umfasst Einrichtungen, die sich im Grenzbereich zweier Grundstücke befinden, dh jeweils zum Teil auf beiden Grundstücken liegen. Bis zum Beweis des Gegenteils wird nach § 854 ABGB vermutet, dass auf beiden Grundstücken befindliche Grenzeinrichtungen im gemeinschaftlichen Eigentum der Liegenschaftseigentümer stehen. Zu den Eigentumsverhältnissen an Grenzmauern gibt es somit nicht nur eine klare gesetzliche Regelung sondern auch eine einheitliche Rsp.

 

Dass die Vorinstanzen von einer einheitlichen Grenzmauer ausgingen und nicht etwa iSd Revisionsausführungen von zwei getrennten Mauern sowie einem Stiegenaufgang mit jeweils unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen, steht im Einklang mit dem vom Kläger erhobenen einheitlichen Unterlassungsbegehren, welches von einer Grenzmauer ausgeht (Abrutschen von Betonteilen der Grenzmauer).

 

Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, auf das Nachbarrecht gestützte Unterlassungsansprüche des einen Miteigentümers gegen den anderen Miteigentümer der gemeinsamen Sache (Grenzmauer) zu versagen, entspricht den Grundsätzen der Rsp. Zwar wurde etwa § 364 Abs 2 ABGB auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern ein- und desselben Hauses für anwendbar befunden, wenn ein Wohnungseigentümer im Rahmen der Ausübung seines ausschließlichen Benützungsrechts an einer bestimmten Wohnung Störungen verursacht. Geht die Störung jedoch von einem der allgemeinen Benützung dienenden Teil der Liegenschaft aus, wird sie also von allen Miteigentümern insgesamt veranlasst, handelt es sich um eine Auseinandersetzung über die Art der Benützung eines der Allgemeinheit dienenden Teils der Liegenschaft zwischen Miteigentümern, welche nur im außerstreitigen Verfahren erledigt werden kann. Einzelne Miteigentümer sind nur dann passiv legitimiert, wenn sie nach der im Innenverhältnis geltenden Rechts- und Gebrauchsordnung in der Lage sind, allein die Störung zu beseitigen. Ein nachbarrechtlicher Unterlassungs- oder Ausgleichsanspruch kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn das Grundstück, von dem die Störung ausgeht, und das beeinträchtigte Grundstück je im Miteigentum derselben Personen stehen. Eine Zuordnung der Störung zu einem Miteigentümer ist im Hinblick auf das bloß ideell geteilte Miteigentum der Streitteile nicht möglich.