OGH > Zivilrecht
06.07.2011 Zivilrecht

OGH: Prozesskosten und Haftung des Masseverwalters für den Kostenschaden des Gegners - zur Frage der Sorgfaltspflicht des Masse-(bzw Insolvenz-)verwalters bei der Beurteilung der Prozessaussichten bei Geltendmachung von Forderungen

Der Masseverwalter haftet für den Kostenschaden des Gegners bei einem erfolglosen Aktivprozess einer unzulänglichen Masse nicht nach § 81 Abs 3 KO (Verletzung konkursspezifischer Pflichten), sondern nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, somit nach § 1295 Abs 2 ABGB; ist eine Konkursmasse zur Befriedigung einer Kostenersatzforderung des obsiegenden Gegners unzulänglich, haftet der Masseverwalter dann persönlich für den Kostenschaden des Prozessgegners, wenn ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter einer Konkursmasse, die auch einen gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten von einer Klageführung zweifelsfrei abgesehen hätte


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter, Geltendmachung von Forderungen, Beurteilung der Prozessaussichten, Massearmut, Prozesskosten, Kostenschaden des Gegners
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 81 Abs 3 KO (IO)

GZ 7 Ob 92/11x [1], 16.06.2011

 

Der Beklagte hat als Masseverwalter der G GmbH (im Folgenden Gemeinschuldnerin), die für die Klägerin Bauleistungen erbracht hatte, zu 26 Cg 89/06w des Handelsgerichts Wien 79.074,76 EUR an restlichem Werklohn gefordert. Er wusste, dass es wegen Masseunzulänglichkeit im Fall des Unterliegens nicht möglich sein werde, der Klägerin (dort Beklagten) die Prozesskosten zu ersetzen. Die Klage wurde abgewiesen. Mit der Behauptung, ein sorgfältiger Masseverwalter hätte bei Prüfung der Sach- und Rechtslage wissen müssen, dass er den Prozess mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit verlieren werde, der Beklagte hätte daher von einer Klagsführung Abstand zu nehmen gehabt, begehrte die Klägerin im vorliegenden Verfahren an Prozesskosten und frustrierten Exekutionskosten 5.924,50 EUR vom Beklagten ersetzt.

 

Der Beklagte wendete ein, die Klagsführung sei im Interesse der Konkursgläubiger geboten und nicht aussichtslos gewesen.

 

OGH: Wie der OGH in den Entscheidungen 8 Ob 3/07k und 2 Ob 154/07x ausgeführt hat, haftet der Masseverwalter für den Kostenschaden des Gegners bei einem erfolglosen Aktivprozess einer unzulänglichen Masse nicht nach § 81 Abs 3 KO (Verletzung konkursspezifischer Pflichten), sondern nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, somit nach § 1295 Abs 2 ABGB. Ist eine Konkursmasse zur Befriedigung einer Kostenersatzforderung des obsiegenden Gegners unzulänglich, haftet der Masseverwalter dann persönlich für den Kostenschaden des Prozessgegners, wenn ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter einer Konkursmasse, die auch einen gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten von einer Klageführung zweifelsfrei abgesehen hätte. Bei Massearmut gilt für den Masseverwalter bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Aktivprozesses sohin ein verschärfter Sorgfaltsmaßstab. Eine offenbare Aussichtslosigkeit der Prozessführung, dh eine solche, die ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden muss, ist nicht erforderlich, um eine Haftung des Masseverwalters zu begründen. Es reicht vielmehr die Erkennbarkeit der „weit“ überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Prozessverlusts.

 

Ob diese Voraussetzung für die Haftung des Masseverwalters gegeben ist, hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab.

 

Richtig hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass sich aus den dem Beklagten zur Verfügung stehenden Urkunden die geltend gemachte Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die Klägerin nicht ergab. Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Beklagten auch zum Vorwurf gemacht, vor Klagseinbringung nicht versucht zu haben, sich Klarheit über die ihm vorliegende Auftragsabrechnung zu verschaffen, die die Behauptung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin, die Klägerin schulde noch 79.074,76 EUR, widerlegte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, ein entsprechend sorgfältiger Masseverwalter hätte unter den gegebenen Umständen von einer Klagsführung gegen die Klägerin Abstand genommen, ist jedenfalls vertretbar.