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08.08.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Verletzung des Rechtes auf Akteneinsicht iZm Nachprüfungsverfahren gem §§ 320 ff BVergG 2006

§ 23 BVergG 2006 verpflichtet sämtliche Verfahrensbeteiligte (somit auch die Bf) zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben; sie kann aber keine Grundlage dafür bieten, der Bf die Einsicht in verfahrensgegenständliche Urkunden, auf die sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern; Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht ist vielmehr § 17 Abs 3 AVG


Schlagworte: Vergaberecht, Nachprüfungsverfahren, Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren, Akteneinsicht
Gesetze:

§§ 320 ff BVergG 2006, § 23 BVergG 2006, § 17 AVG

GZ 2009/04/0187 [1], 22.05.2012

 

Die Bf bringt vor, die belangte Behörde habe ihr Verfahren deshalb mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet, weil sie der Bf die Akteneinsicht insbesondere in die von der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren vorgelegte eigene Kostenermittlung und den Prüfbericht des Kärntner Landesrechnungshofes verweigert habe.

 

VwGH: Die Auftraggeberin hatte diese Unterlagen mit dem bloßen Hinweis, es handle sich um nicht öffentliche Urkunden, in das Nachprüfungsverfahren eingebracht. Unstrittig ist, dass die belangte Behörde der Bf die Einsicht in diese Aktenbestandteile (Beilagen ./A und ./B) im Folgenden verwehrte, wobei sie sich (erst in der Gegenschrift) dazu begründend auf § 23 BVergG 2006 stützte.

 

§ 23 BVergG 2006 legt (ua) die Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren fest und sieht in Abs 1 vor, dass Auftraggeber, Bewerber und Bieter den vertraulichen Charakter aller den Auftraggeber als auch die Bewerber und Bieter und deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren haben (die weiteren Absätze dieser Bestimmung sind fallbezogen nicht relevant). Nach den Gesetzesmaterialien statuiert diese Norm eine gegenseitige Schutzpflicht betreffend vertrauliche Unterlagen hinsichtlich aller am Vergabeverfahren beteiligten Personen. Auch die Bewerber und Bieter haben daher schutzwürdige Angaben des Auftraggebers zu wahren, und zwar zeitlich über den Abschluss des Vergabeverfahrens hinaus.

 

Diese Vorschrift verpflichtet somit sämtliche Verfahrensbeteiligte (somit auch die Bf) zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Sie kann aber keine Grundlage dafür bieten, der Bf die Einsicht in verfahrensgegenständliche Urkunden, auf die sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern.

 

Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht ist vielmehr § 17 Abs 3 AVG, wonach Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen sind, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde (vgl dazu die vom EuGH in seinem Urteil vom 14. Februar 2008, Rs C-450/06, Varec SA, aufgestellten Grundsätze, nach denen diese Frage im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zu beurteilen ist). Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs 3 AVG ist somit im Einzelfall zu beurteilen, inwieweit ein überwiegendes Interesse besteht, einem Bieter bestimmte Informationen vorzuenthalten, wobei gleichzeitig die effektive Rechtsverfolgung sichergestellt werden muss.

 

Dass diese Abwägung fallbezogen zu Lasten der Bf ausfallen hätte müssen, wurde im Verwaltungsverfahren nicht dargetan.

 

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Bf bei Kenntnis der genauen Kostenermittlung durch die Auftraggeberin und des Bezug habenden Prüfergebnisses des Landesrechnungshofes ihre nur grundsätzlich erhobenen Einwände näher konkretisieren hätte können und dadurch ein anderes Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre.