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09.01.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Versetzung in den Ruhestand – Charaktereigenschaft als Dienstunfähigkeit iSd § 14 BDG?

Eine amtswegige Ruhestandsversetzung kommt nicht generell als Reaktion auf durch habituelle Charaktereigenschaften bedingtes fortgesetztes dienstliches Fehlverhalten bzw auf dadurch bedingte fortgesetzte unterdurchschnittliche Dienstleistungen (in bestimmten Aspekten) in Betracht; die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten auf einem bestimmten Arbeitsplatz kann nicht damit begründet werden, dass er dort Mobbing ausgesetzt wäre, welches er auf Grund eines nicht krankheitsbedingten habituellen Charakterzuges nur schlechter verarbeiten könnte als andere


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Charaktereigenschaft, Mobbing
Gesetze:

§ 14 BDG

GZ 2012/12/0008 [1], 04.09.2012

 

VwGH: Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid auf ältere Rsp des VwGH und leitet daraus offenbar ab, dass Beamte, bei denen eine habituelle Charaktereigenschaft vorliegt, welche zu dienstlichem Fehlverhalten bzw, sei es auch nur in bestimmten Aspekten, zu unterdurchschnittlichen Dienstleistungen führe, "dienstunfähig" im Verständnis des § 14 Abs 1 BDG seien.

 

Freilich verkennt die belangte Behörde, dass der VwGH in seiner neueren einhelligen Rsp zur Auswirkung von Charaktereigenschaften auf die Dienstfähigkeit Folgendes vertritt:

 

"Nach stRsp des VwGH zu § 14 BDG und auch zu vergleichbaren Rechtsnormen ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Diesen Mängeln ist gemeinsam, dass ihr Auftreten bzw ihre Beseitigung nicht vom Willen des Beamten abhängt, sie also nicht beherrschbar sind. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen solcher Störungen oder Eigenschaften auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen dieser Störungen und Eigenschaften auf den Amtsbetrieb entscheidend. Auch die Beurteilung habitueller Charaktereigenschaften bzw bestimmter offenkundiger geistiger Mängel kann - neben anderen Beweismitteln - durch ärztliche Sachverständigengutachten, insbesondere durch Gutachten (von Ärzten) des Bundespensionsamtes, unterstützt werden."

 

Auf Basis dieser Rsp ist klargestellt, dass eine amtswegige Ruhestandsversetzung nicht generell als Reaktion auf durch habituelle Charaktereigenschaften bedingtes fortgesetztes dienstliches Fehlverhalten bzw auf dadurch bedingte fortgesetzte unterdurchschnittliche Dienstleistungen (in bestimmten Aspekten) in Betracht kommt. Eine Ruhestandsversetzung auf Grund habitueller Charaktereigenschaften ist vielmehr nur dann zulässig, wenn die daraus resultierenden Mängel vom Willen des Beamten nicht beherrschbar sind. Andernfalls, also bei einer bloßen Neigung des Beamten zu Fehlverhalten bzw Minderleistung auf Grund einer habituellen Charaktereigenschaft, welche jedoch an sich vom Willen beherrschbar ist, stehen der Dienstbehörde ausschließlich die Instrumentarien des Disziplinarrechts einerseits bzw der Leistungsfeststellung mit der allfälligen Konsequenz des § 22 BDG zur Verfügung.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde Feststellungen über die Beherrschbarkeit des von ihr beim Bf angenommenen habituellen Charakterzuges nicht getroffen hat. Die Durchführung von Disziplinarverfahren, welche mit Schuldsprüchen endeten, spricht dafür, dass (jedenfalls) das dem Bf in diesem Zusammenhang vorgeworfene Fehlverhalten durchaus vom Willen beherrschbar (und deshalb auch disziplinarrechtlich vorwerfbar) war.

 

Anders als der Bf meint, kann die Dienstbehörde aus dienstlichem Verhalten auf das Vorliegen nicht krankheitswertiger Charakterzüge, die (freilich unter Berücksichtigung des eben Ausgeführten) dauernde Dienstunfähigkeit verursachen, schließen; liegen aber abweichende Beurteilungen durch ärztliche Sachverständige vor, so setzt eine solche Begründung eine entsprechende Auseinandersetzung mit der Argumentation des Sachverständigen voraus.

 

Selbst wenn man also - was die belangte Behörde nicht (schlüssig begründet) festgestellt hat - davon ausgehen würde, dass das von ihr geschilderte Verhalten des Bf (teilweise) Ausdruck eines von seinem Willen nicht mehr beherrschbaren Charakterzuges gewesen ist, wäre für die Frage, ob ihn ein solcher Charakterzug auf Dauer an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben an seiner Stammschule hindert, auch die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Z von Bedeutung, wonach "bei Mobbing" der Konflikt an der Stammschule unter Beiziehung arbeitspsychologischer Hilfe aufgearbeitet werden sollte bzw dass die Annahme des Bf, er werde gemobbt, nicht auf "Einbildung" beruhe. Die belangte Behörde hat das Vorliegen möglicher Auswirkungen der vom Bf behaupteten Mobbinghandlungen auf sein dienstliches Verhalten ausschließlich mit der Begründung verneint, er habe 2008 und 2009 zwei wissenschaftliche Publikationen herausgegeben. Eine solche intellektuelle und organisatorische Herausforderung könne nicht in Zeiten einer (psychischen) Krise bewältigt werden.

 

Damit verkennt die belangte Behörde freilich, dass sich erlittenes Mobbing am Arbeitsplatz - gerade wenn es zur Verstärkung oder Intensivierung eines an sich zwischen "Wehrhaftigkeit" und "innerer Emigration" schwankenden, allenfalls auch (wie es etwa vom Sachverständigen H beim Bf für möglich gehalten wird) zur "Querulanz" neigenden Charakterzuges führt - im Allgemeinen eher im Verhalten des Betroffenen an seinem Arbeitsplatz und nicht in seiner Unfähigkeit, außerdienstliche Publikationen zu verfassen bzw zu veranlassen, niederschlagen wird.

 

Selbst wenn man also davon ausgehen würde, dass (ein Teil) des von der belangten Behörde geschilderten Fehlverhaltens Ausdruck eines nicht vom Willen beherrschbaren habituellen Charakterzuges des Bf darstellt, welcher (zwanghaft) zu Überreaktionen auf erlittenes Mobbing führt, wäre Folgendes zu beachten:

 

Vorausgesetzt für eine dauernde Dienstunfähigkeit ist, dass eine solche Krankheit bzw Charaktereigenschaft den Beamten außer Stande setzt, die Aufgaben des ihm aktuell zugewiesenen Arbeitsplatzes zu erfüllen. Wiewohl diese Voraussetzung anhand des aktuell zugewiesenen Arbeitsplatzes zu prüfen ist, ist dabei nicht auf die dort faktisch zu erwartenden Zustände, sondern auf jene Situation abzustellen, wie sie an diesem Arbeitsplatz bei rechtmäßigem Verhalten anderer Mitarbeiter und bei Erfüllung der ihn gegenüber dem Beamten treffenden Fürsorgepflicht durch den Dienstgeber vorläge. Die Verantwortung für die Herstellung eines solchen rechtmäßigen Zustandes trifft den Dienstgeber. Oder - anders gewendet - die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten auf einem bestimmten Arbeitsplatz kann nicht damit begründet werden, dass er dort Mobbing ausgesetzt wäre, welches er auf Grund eines nicht krankheitsbedingten habituellen Charakterzuges nur schlechter verarbeiten könnte als andere. Es ist somit durchaus zutreffend, dass es Sache des Dienstgebers ist, Mobbing am aktuellen Arbeitsplatz des Beamten hintanzuhalten und in diesem Zusammenhang auch "unbewältigte Konflikte" zu beseitigen.

 

Indem die belangte Behörde die eingangs aufgezeigte Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, indem sie mit unzureichender Begründung die Auffassung vertrat, "Mobbing" spiele als (Mit-)Ursache des dem Bf angelasteten Verhaltens überhaupt keine Rolle (weshalb auch keine professionelle Aufarbeitung des "unbewältigten Konfliktes" iSd Ausführungen Dris. Z erforderlich sei), belastete sie ihn mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.