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28.04.2015 Wirtschaftsrecht

VwGH: Maßnahmenbeschwerde iZm einer Hausdurchsuchung nach § 12 WettbG

Es entspricht dem Wesen einer Hausdurchsuchung, nach Unterlagen von konkretem Beweiswert zu suchen; fallbezogen kam die Behörde zum Schluss, die Aufrechterhaltung "der Maßnahmen" für weitere drei Wochen sei erforderlich gewesen, weil die Kopierkapazitäten (betreffend das Kopieren der Sicherungsbänder des Zentralrechners) beschränkt gewesen seien und die Bandsicherungen im laufenden Betrieb (der revisionswerbenden Parteien) erfolgt seien; auch nach dem Sinn und Zweck der Maßnahme ist die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Behörde, die Dauer der Hausdurchsuchung könne angesichts des Umstandes, dass diese einen der größten Handelskonzerne in Österreich und sämtliche Produktbereiche betroffen habe, nicht als überlang angesehen werden, nicht unvertretbar; eine Anwendung von § 106 StPO, der einen allgemeinen Einspruch im Ermittlungsverfahren an das Gericht gegen Rechtsverletzungen durch die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei vorsieht, kommt bei einer vom Kartellgericht angeordneten Hausdurchsuchung mangels gesetzlicher Anordnung nicht in Betracht


Schlagworte: Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Hausdurchsuchung, Maßnahmenbeschwerde, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
Gesetze:

 

§ 12 WetttbG, § 67a AVG aF, § 67c AVG aF, § 106 StPO

 

GZ Ro 2014/04/0063 [1], 21.01.2015

 

VwGH: Der VwGH hat zur Überprüfung von Hausdurchsuchungen nach § 12 WettbG durch den UVS im Erkenntnis vom 12. September 2013, Zlen 2013/04/0005, 0049 bis 0053, Folgendes festgehalten:

 

" Nach stRsp des VfGH und VwGH entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate gem Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG und § 67a Abs 1 Z 2 AVG über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes) in ihren Rechten verletzt zu sein. Werden solche behördlichen Akte in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt, fallen sie nicht in den Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern sie sind - solange die Verwaltungsorgane den ihnen durch den richterlichen Befehl gestellten Ermächtigungsrahmen nicht überschreiten - funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen. Bei offenkundiger Überschreitung des richterlichen Befehls liegt hingegen insoweit ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor .

 

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die gesetzten Maßnahmen durch die gerichtliche Anordnung gedeckt waren. Ausgangspunkt einer entsprechenden Beurteilung ist der Wortlaut des richterlichen Befehls. Auch dessen Sinngehalt ist für die Auslegung von Bedeutung.

 

Die rechtliche Zurechnung des Vollzugshandelns zur Justizgewalt wird nicht schon dadurch unterbrochen, dass im Vollzug des richterlichen Befehls Gesetzwidrigkeiten hinsichtlich der bei einem solchen Akt zu wahrenden Förmlichkeiten unterlaufen. Durchbrochen wird der Auftragszusammenhang des Organhandelns zur richterlichen Gewalt nur durch solche Maßnahmen, die ihrem Inhalt und Umfang nach in der gerichtlichen Anordnung keine Deckung mehr finden. Eine Hausdurchsuchung auf Grund gerichtlicher Anordnung bleibt somit gleichwohl der Akt eines Gerichtes und ist deshalb der Überprüfung durch die unabhängigen Verwaltungssenate entzogen, wenn bei Durchführung der gerichtlichen Anordnung eine Gesetzwidrigkeit (zB die unterlassene Zustellung des Hausdurchsuchungsbefehls oder die unterlassene Befragung des Betroffenen vor Beginn der Hausdurchsuchung) unterläuft. Die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen eine Hausdurchsuchung erfolgte, sind keine vor den unabhängigen Verwaltungssenaten selbständig bekämpfbaren Maßnahmen. Bei einer auf Grund eines richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung ist auch die Vorgangsweise bei Durchsetzung des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen.

 

Diese Grundsätze gelten - wie im Hinblick auf den Beschluss des OGH vom 6. Juni 2012, 16 Ok 2/12, festzuhalten ist - auch für Hausdurchsuchungen nach § 12 WettbG. Dementsprechend kommt eine Überprüfung der Vorgangsweise der Bundeswettbewerbsbehörde anlässlich einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung durch die unabhängigen Verwaltungssenate auch in diesen Fällen nur in Betracht, soweit es zu einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls ("Exzess") gekommen ist."

 

Nach dieser Rsp ist - anders als die Revision behauptet - nicht jede Maßnahme im Zuge einer Hausdurchsuchung für sich genommen beschwerdefähig.

 

Für die Zuständigkeit der belBeh zur Behandlung einer Maßnahmenbeschwerde ist alleine maßgeblich, ob es zu einer Überschreitung der gerichtlichen Anordnung iSe Exzesses gekommen ist. Nach dem Obgesagten ist für diese Beurteilung der Wortlaut und der Sinngehalt der gerichtlichen Anordnung entscheidend. Von einem Exzess kann nur bei Maßnahmen gesprochen werden, die ihrem Inhalt und Umfang nach in der gerichtlichen Anordnung keine Deckung mehr finden. Die Modalitäten und näheren Umstände, unter denen eine durch eine gerichtliche Anordnung gedeckte Hausdurchsuchung erfolgte, sind dagegen keine vor den unabhängigen Verwaltungssenaten selbstständig bekämpfbaren Maßnahmen.

 

Aus diesem Grund kommt es fallbezogen im Hinblick auf die von den revisionswerbenden Parteien geltend gemachte Sicherstellung von Daten "in Bausch und Bogen" sowie die Dauer der Hausdurchsuchung alleine auf den Inhalt der gerichtlichen Anordnung und den Wortlaut des richterlichen Befehls an. Die Revision enthält insoweit aber kein Vorbringen, dass der Wortlaut des richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls im Hinblick auf den örtlichen und zeitlichen Umfang die gerügten Maßnahmen nicht gedeckt hätte.

 

Die belBeh verwies zu Recht darauf, dass es dem Wesen einer Hausdurchsuchung entspricht, nach Unterlagen von konkretem Beweiswert zu suchen (vgl etwa den Beschluss des VfGH vom 26. September 1988, VfSlg 11.792, mwN, wonach es für das Wesen einer Hausdurchsuchung charakteristisch ist, dass nach einer Person oder nach einem Gegenstand gesucht wird, von denen es unbekannt ist, wo sie sich befinden). Fallbezogen kam die belBeh zum Schluss, die Aufrechterhaltung "der Maßnahmen" für weitere drei Wochen sei erforderlich gewesen, weil die Kopierkapazitäten (betreffend das Kopieren der Sicherungsbänder des Zentralrechners) beschränkt gewesen seien und die Bandsicherungen im laufenden Betrieb (der revisionswerbenden Parteien) erfolgt seien. Auch nach dem Sinn und Zweck der Maßnahme ist die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der belBeh, die Dauer der Hausdurchsuchung könne angesichts des Umstandes, dass diese einen der größten Handelskonzerne in Österreich und sämtliche Produktbereiche betroffen habe, nicht als überlang angesehen werden, nicht unvertretbar.

 

Zum Revisionsvorbringen, der Umfang der sichergestellten Daten sei im Hinblick auf den durch den Hausdurchsuchungsbefehl vorgegebenen Zweck zu weit gefasst, ist auf die - nicht bestrittenen - Feststellungen der belBeh zu verweisen, wonach die BWB alleine die Daten der Einkaufsmitarbeiter ab dem Jahr 2007 auf dem Zentralrechner sicherstellen wollte, dies jedoch durch die viertrevisionswerbende Partei mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass auf den Sicherungsbändern die gesamten Daten des SPAR-Konzerns gespeichert seien und deren Auswertung unverhältnismäßig wäre. Daher seien - so die Feststellungen weiter - im Einvernehmen mit der viertrevisionswerbenden Partei sämtliche Sicherungsbänder sichergestellt und versiegelt worden. Daher ist vor dem Hintergrund der Argumentation der viertrevisionswerbenden Partei die nunmehr gerügte Unverhältnismäßigkeit nicht zu sehen.

 

Was die als grundsätzliche Rechtsfrage behauptete Rechtsschutzlücke anlangt, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass nach der oben angeführten Rsp des VwGH eine Überprüfung der Vorgangsweise der BWB anlässlich einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung durch die unabhängigen Verwaltungssenate nur in Betracht kommt, soweit es zu einer Überschreitung des richterlichen Befehls ("Exzess") gekommen ist. Gegen den Beschluss des Kartellgerichts über die Anordnung einer Hausdurchsuchung steht aber gem § 12 Abs 3 zweiter Satz WettbG das Rechtsmittel des Rekurses offen. Eine Anwendung von § 106 StPO, der einen allgemeinen Einspruch im Ermittlungsverfahren an das Gericht gegen Rechtsverletzungen durch die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei vorsieht, kommt bei einer vom Kartellgericht angeordneten Hausdurchsuchung mangels gesetzlicher Anordnung nicht in Betracht . Jedoch bestehen nach dem Beschluss des VfGH vom 6. Juni 2014, B 1284/2013-8, mit Verweis auf das unter Hinweis auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers keine verfassungsrechtliche Bedenken, dass das WettbG keine dem § 106 StPO vergleichbare Regelung vorsieht. Schließlich hat der VfGH im Erkenntnis vom 1. Dezember 2012, B 619/12 ua, festgehalten, dass angesichts des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung (nach § 12 WettbG) und der Möglichkeit der Maßnahmenbeschwerde eine Rechtsschutzlücke nicht zu erkennen ist. Dem schließt sich der VwGH an.