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30.05.2016 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Frage, ob ein Kraftfahrzeug eine zulässige Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG darstellt

Die Zustellung des Bescheides am Ort der Amtshandlung (§ 2 Z 4 ZustG) setzt voraus, dass es sich zum einen um eine hoheitliche Amtshandlung handelt, in deren Verlauf zugestellt werden soll, und zum anderen, dass der Empfänger bei dieser Amtshandlung anwesend ist; da eine Betriebsstätte gem § 2 Z 4 ZustG ua durch eine feste, örtliche Einrichtung gekennzeichnet ist, an der der Inhaber sein Unternehmen betreibt, kommt ein solcher vor einem landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude abgestellter PKW als Abgabestelle iSe Betriebsstätte nicht in Betracht


Schlagworte: Zustellrecht, Abgabestelle, Ort der Amtshandlung, Betriebsstätte, Verweigerung der Annahme
Gesetze:

 

§ 2 ZustG, § 20 ZustG

 

GZ Ra 2015/11/0079 [1], 01.03.2016

 

VwGH: Das VwG hält im angefochtenen Erkenntnis zunächst fest, dass jedenfalls eine Zustellung des Bescheides am Ort der Amtshandlung (§ 2 Z 4 ZustG) stattgefunden habe, da unzweifelhaft gegen den Revisionswerber eine polizeiliche Amtshandlung geführt worden sei.

 

Diese Art der Zustellung setzt voraus, dass es sich zum einen um eine hoheitliche Amtshandlung handelt, in deren Verlauf zugestellt werden soll, und zum anderen, dass der Empfänger bei dieser Amtshandlung anwesend ist.

 

Wie das VwG festgestellt hat, ist der Revisionswerber kurz nach Erscheinen der Polizeibeamten vor seinem Wirtschaftsgebäude in dieses hineingegangen und hat das Tor verschlossen. Das VwG stellte weiters fest, dass von den Polizeibeamten erfolglos versucht worden sei, mit dem Bf Kontakt aufzunehmen. Unabhängig davon, ob es sich im vorliegenden Fall bei dem Erscheinen der Polizeibeamten um eine (fortdauernde) Amtshandlung gehandelt hat- die Führerscheinabnahme war bereits abgeschlossen, eine weitere Amtshandlung wurde den Feststellungen nach nicht geführt -, war der Revisionswerber nach den unbestrittenen Feststellungen des VwG bei der Ablage des Bescheides in sein Fahrzeug nicht (mehr) tatsächlich anwesend. Aus diesem Grund kommt eine wirksame Zustellung "anlässlich einer Amtshandlung" an deren Ort am 5. März 2015 nicht in Betracht.

 

Aber auch die vom VwG im angefochtenen Erkenntnis angeführte Eventualbegründung, es sei jedenfalls auch eine Zustellung an der Betriebsstätte des Revisionswerbers erfolgt, vermag das angefochtene Erkenntnis nicht zu tragen.

 

Gem § 2 Z 4 ZustG kommt als Abgabestelle auch die Betriebsstätte in Betracht. Darunter ist der Ort zu verstehen, an dem der Inhaber sein Unternehmen betreibt und an dem er sich daher auch regelmäßig aufhält. Ob der Empfänger zum Zeitpunkt der Zustellung dort anwesend war, ist rechtlich ohne Bedeutung. Es handelt sich bei einer Betriebsstätte um jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, in der regelmäßig und andauernd betriebliche Tätigkeiten ausgeführt werden.

 

Da eine Betriebsstätte gem § 2 Z 4 ZustG somit ua durch eine feste, örtliche Einrichtung gekennzeichnet ist, an der der Inhaber sein Unternehmen betreibt, kommt ein solcher vor einem landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude abgestellter PKW als Abgabestelle iSe Betriebsstätte nicht in Betracht. Ebensowenig fällt der abgestellte Pkw unter eine der sonstigen Formen einer Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG. Auch auf einem solchen Weg konnte eine wirksame Zustellung des Bescheides vom 20. Jänner 2015 an den Revisionswerber nicht erfolgen.

 

Nach Ansicht des VwG ist der besagte Bescheid jedenfalls auch gem § 20 ZustG durch die Annahmeverweigerung des Revisionswerbers zugestellt worden.

 

§ 20 ZustG normiert, dass im Falle der Verweigerung der Annahme das Dokument entweder an der Abgabestelle zurückzulassen oder, soweit dies nicht möglich ist, nach § 17 ZustellG ohne schriftliche Verständigung zu hinterlegen ist. Unterbleibt die Zurücklassung bzw Hinterlegung, treten die Zustellwirkungen nicht ein.

 

Wie bereits erörtert, handelte es sich bei dem vor dem Wirtschaftsgebäude abgestellten PKW nicht um eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG. Da der Bescheid vom 20. Jänner 2015 somit weder "an einer Abgabestelle" zurückgelassen noch hinterlegt wurde, waren die Voraussetzungen des § 20 ZustG nicht erfüllt, weshalb auch eine Zustellung nach dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht kam.

 

Der hilfsweisen Begründung des VwG, es sei eine Heilung allfälliger Zustellmängel durch tatsächliches Zukommen des Schriftstückes iSd § 7 ZustG eingetreten, ist lediglich zu entgegnen, dass für diese Annahme eine Basis in den Feststellungen des Erkenntnisses fehlt.