OGH: Kartellrechtliche Beurteilung einer Radiusklausel
Die wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung einer "Radiusklausel" iSe Ausschließlichkeitsbindung und damit die Spürbarkeit kann ua dadurch eingeschränkt sein, dass diese von den Vertragspartner nicht akzeptiert wird bzw - insbesondere gegenüber "Ankermarken" - nicht durchgesetzt werden kann, räumlich (auf den "Radius") und zeitlich (auf die Vertragsdauer) beschränkt ist, den Marktzutritt neuer Kunden nicht hindert und ein Konkurrent aufgrund ausreichend nicht gebundener Kunden ebenfalls einen entsprechenden "Branchenmix" anbieten kann
Art 101 AEUV, § 1 KartG 2005, Art 102 AEUV, § 5 KartG 2005, § 23 KartG 2005, § 4 KartG 2005
GZ 16 Ok 8/10, 12.12.2011
Die Antragstellerin betreibt in der Gemeinde Wals-Siezenheim am Standort des ehemaligen Einkaufszentrums „Airportcenter“ ein Einkaufszentrum in der Form eines „Factory Outlet Center“, und zwar das Designer Outlet Center Salzburg (im Folgenden DOC).
Ein Teil der Bestandverträge der Antragsgegnerin für die Verpachtung von Geschäftsräumlichkeiten im EUROPARK enthält eine Klausel, die es dem jeweiligen Pächter verbietet, in einem bestimmten Umkreis um den EUROPARK ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft wie im EUROPARK (direkt oder indirekt) zu betreiben oder sich an solchen Unternehmen zu beteiligen oder sonst mitzuwirken. Das DOC befindet sich in diesem Umkreis und ist in einigen Klauseln auch ausdrücklich genannt.
Manche Bestandverträge der Antragsgegnerin enthalten folgende Klausel:
„Der Pächter wird jedoch keinesfalls einen Standort in einem Factory-Outlet-Center im Umkreis von 50 Kilometern um den EUROPARK betreiben bzw sich an einem solchen beteiligen.“
Die Klauseln werden zwischen der Antragsgegnerin und den einzelnen Bestandnehmern individuell ausgehandelt.
OGH: Nach hL und Rsp ist der sachlich betroffene Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept zu bestimmen, wie dies § 23 KartG ausdrücklich festsetzt. Dies gilt in gleicher Weise für das Europäische Wettbewerbsrecht.
Nach dem Bedarfsmarktkonzept liegt derselbe Markt vor, wenn sich die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen in ihren für die Deckung desselben Bedarfs wesentlichen Eigenschaften von anderen unterscheiden und aus Sicht der Bedarfsträger als Marktgegenseite untereinander beliebig austauschbar sind. Entscheidend ist damit die (funktionelle) Austauschbarkeit der Waren bzw Leistungen aus Sicht der Marktgegenseite.
Der OGH hat bereits in der Entscheidung 16 Ok 14/08 - Radiusklausel II ausgesprochen, dass der relevante Markt unter Anwendung des hypothetischen Monopolistentests (SSNIP-Test) zu bestimmen ist. Der Test wurde zwar ursprünglich für die Zusammenschlusskontrolle entwickelt; er ist aber keineswegs darauf beschränkt. Vielmehr hat der OGH den Test in der Entscheidung 16 Ok 14/08 - im Einklang mit der Rechtsansicht der Europäischen Kommission - auch iZm dem Kartellverbot und dem Marktmissbrauch angewendet.
Im vorausgegangenen Provisorialverfahren (16 Ok 1/09 - Radiusklausel III) billigte der OGH die Auffassung des Erstgerichts, wonach der relevante Markt sich nicht auf Einkaufszentren beschränkt, sondern auch andere größere Einkaufsagglomerationen (wie zB Einkaufsstraßen der Städte) im Einzugsgebiet von 90 Minuten Pkw-Fahrzeit umfasst.
In der Entscheidung 16 Ok 14/08 - Radiusklausel II hat der OGH auch auf andere Kriterien abgestellt und auf Faktoren wie Standort, Image, Parkplatzangebot und hohe Kundenfrequenz verwiesen. Dies ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass diese Faktoren neben dem Monopolistentest heranzuziehen wären. Es sind dies vielmehr Faktoren, die bei der im Wege des hypothetischen Monopolistentests ermittelten Entscheidung des Abnehmers eine Rolle spielen.
Das Kartellgericht ging in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten davon aus, dass der relevante Markt des EUROPARK zumindest alle für den Handel und handelsnahe Dienstleistungen verfügbaren Bestandflächen in der Stadt Salzburg, dem Bezirk Salzburg Umgebung und im Berchtesgadener Land umfasst, wobei nicht auszuschließen ist, dass darüber hinaus vom EUROPARK weiter entfernte Standorte dem relevanten Markt zuzuordnen sind. Die Salzburger Innenstadt als Einkaufsagglomeration und das DOC gehören dem relevanten Markt an.
Die Radiusklausel führt dazu, dass Vertragspartner der Antragsgegnerin in einem bestimmten Umkreis keine weiteren Filialen errichten und daher im vereinbarten Gebiet ihren Bedarf an Bestandobjekten nur bei der Antragsgegnerin decken dürfen. Es liegt zwar kein Vertikalverhältnis vor, weil die nachgefragte Leistung nicht dem Wiederverkauf dient, es besteht jedoch eine Ausschließlichkeitsbindung im Bereich eines für die eigentliche Unternehmenstätigkeit der Nachfrager notwendigen Hilfsgeschäfts.
Derartige Ausschließlichkeitsbindungen unterliegen im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung in vielfältiger Hinsicht Einschränkungen. Im Innenverhältnis zwischen der bindenden und der gebundenen Partei kann eine zu weitgehende Bindung allenfalls gegen § 879 ABGB verstoßen. Nach hA liegt Sittenwidrigkeit vor, wenn ein Wettbewerbsverbot in übergroßem Umfang ohne zeitliche und örtliche Beschränkung auferlegt wird oder ein auffälliges Missverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen des einen Vertragsteils und der dem anderen Teil auferlegten Beschränkung besteht. Denkbar ist auch, dass ein derartiger Verstoß nach § 1 UWG als unlauter einzustufen ist, sodass jeder Mitbewerber und die in § 14 UWG angeführten Stellen dagegen vorgehen können.
Bei der - hier allein maßgebenden - Beurteilung der Radiusklausel nach Kartellrecht kommen als Rechtsgrundlagen das Kartellverbot des Art 101 AEUV (früher Art 81 EG, Art 85 EWG) bzw § 1 KartG und das Missbrauchsverbot des Art 102 AEUV (früher Art 82 EG, Art 86 EWG) bzw des § 5 KartG in Betracht.
Zu Radiusklauseln liegen bereits mehrere kartellrechtliche Entscheidungen vor. Die ersten ein Konkurrenzverbot betreffenden Entscheidungen ergingen noch zum alten Kartellrecht (Okt 6/93; 16 Ok 3/96; vgl auch 16 Ok 4/01 und 16 Ok 6/02). Danach entspricht ein Wettbewerbsverbot, soweit es über das Wesen einer die Äquivalenz der beiderseitigen kartellrechtlich unbedenklichen Hauptleistungspflichten sichernden Nebenabrede nicht hinausgeht, keinem in § 10 KartG 1988 umschriebenen Tatbestand und ist daher nicht als Kartell zu beurteilen. Anderes gelte, wenn eine Beschränkung über einen solchen Zweck hinausgehe. Die Grenze zwischen kartellrechtsneutraler Nebenabrede und kartellrechtsrelevanter Wettbewerbsbeschränkung iSd § 10 KartG 1988 könne nur im Einzelfall unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des betreffenden Wirtschaftszweigs gezogen werden. In der Regel werde ein fünf Jahre übersteigendes Wettbewerbsverbot dem Anwendungsbereich des Kartellrechts zu unterwerfen sein.
Mit der Entscheidung 16 Ok 14/08 - Radiusklausel II hob der OGH die Entscheidung des Kartellgerichts wegen ungeeigneter Fragestellung des Sachverständigen auf. Die im vorliegenden Verfahren im Provisorialverfahren ergangene Entscheidung 16 Ok 1/09 - Radiusklausel III verneint das Vorliegen eines relevanten kumulativen Abschottungseffekts, weil ein Anteil der Antragsgegnerin an Verkaufsfläche von nur 7,66 % bescheinigt worden war.
Kartellverbot:
Vereinbarungen fallen nur dann unter das Verbot des Art 101 AEUV (früher Art 81 EG), wenn sie „eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken“. Von einer Vereinbarung iSd Art 101 AEUV ist auszugehen, wenn zwei oder mehrere Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, mag die Willensübereinstimmung ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder formlos zustande gekommen sein.
Dabei ist zunächst der eigentliche Zweck der Vereinbarung in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Wenn feststeht, dass eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden. Ob sich ein Unternehmen freiwillig oder unter dem Druck der anderen Seite an der Vereinbarung beteiligt, ist dabei unerheblich. Auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des einen Vertragspartners vom anderen schließt das Vorliegen einer Vereinbarung noch nicht aus.
Begriff und Inhalt der Vereinbarung sind objektiv zu verstehen, auf subjektive Intentionen, innere Vorbehalte oder unterlassene Mitwirkung kommt es nicht an. Wusste allerdings der Unternehmer oder musste er wissen, dass die Absprache, an der er sich beteiligt, Teil eines Gesamtplans ist, so trägt er Verantwortung für den Gesamtplan. Ohne Bedeutung sind die unterschiedlichen Interessenlagen der Bestandnehmer und ihr mangelnder Einfluss darauf, mit wem der Bestandgeber Radiusklauseln vereinbart.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ausschließlichkeitsbindungen nicht nur in die Handlungsfreiheit der Vertragspartner eingreifen, sondern sich auch für die Verfolgung wettbewerbsfeindlicher Ziele, wie die Behinderung von Konkurrenten, die Aufteilung von Märkten oder die Verstärkung der eigenen Marktstellung eignen. Eine den Kunden auferlegte Verpflichtung, ihren Bedarf ganz bei einem marktbeherrschenden Unternehmen zu decken, kann als Behinderung von Mitbewerbern mit dem Leistungswettbewerb unvereinbar sein. Dass die Bindung möglicherweise auch im Interesse der Kunden liegt oder sogar auf ihren Wunsch vereinbart wurde, ändert daran nichts. Maßgebend sind vielmehr der Bindungsgrad und die Auswirkungen auf den Restwettbewerb. Zu beachten ist allerdings, dass die Abnehmerbindung grundsätzlich einer Rechtfertigung zugänglich ist, wenn deren Nachweis auch schwierig sein mag.
Allerdings bewirkt eine Einschränkung der Handlungsfreiheit beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen in Form von Alleinbezugsverpflichtungen, Wettbewerbsverboten oder langfristigen Abnahmeverpflichtungen nicht automatisch eine Wettbewerbsbeschränkung iSd Art 101 EG bzw § 1 KartG. Zu selektiven Vertriebssystemen hat der EuGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass diese zwangsläufig den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beeinflussen. Es kommt entscheidend auf die marktabschottende Wirkung der Vereinbarung an, und es ist daher zu prüfen, ob und inwieweit sie iVm anderen Verträgen dieses Typs die Möglichkeiten Dritter zum Markteintritt oder zur Ausweitung von Marktanteilen spürbar beeinträchtigt. Bei langfristigen Liefer- und Bezugsverträgen, die im Ergebnis eine Ausschließlichkeitsbindung bewirken, sah die Europäische Kommission - abgesehen vom Energiewirtschaftssektor - eine marktschließende Wirkung bereits bei zeitlichen Bindungen zwischen vier und sechs Jahren als gegeben an.
Isolierte Marktanteilsbetrachtung:
Der Marktanteil der Antragsgegnerin beträgt bei isolierter Betrachtung selbst unter Hinzurechnung des EKZ-Forum 1 nur knapp über 15 %. Damit wird der Schwellenwert des Punktes II.7. lit b erster Absatz der De-minimis-Bekanntmachung allenfalls knapp überschritten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass beim EKZ-Forum 1 keine Radiusklauseln bestehen.
Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung auf Grundlage des Anteils der Antragsgegnerin am Gesamtmietenumsatz im relevanten Markt beurteilt werden kann. Dies entspricht auch Rz 10 der De-minimis-Bekanntmachung. Im Übrigen ergäbe sich bei Zugrundelegung nicht der Umsatzzahlen, sondern des Anteils an Verkaufsflächen (vgl 16 Ok 14/08) ein niedrigerer Marktanteil, weil die Quadratmetermieten im EUROPARK wesentlich höher sind als die Mieten an anderen Standorten.
Die De-minimis-Bekanntmachung ist weder für die Gerichte bindend noch ist sie als abschließende umfassende Regelung gedacht. Zu berücksichtigen sind jeweils die Wirkungen auf den Wettbewerb, die Marktstellung des Betroffenen, die Art und Menge der Güter oder Dienstleistungen sowie das rechtliche und behördliche Umfeld.
Das Kartellgericht hat zutreffend auf einige Faktoren hingewiesen, die die Auswirkungen der Radiusklauseln auf den Wettbewerb beschränken können: Radiusklauseln sind nur wirksam, wenn sie vereinbart, dh vom Bestandnehmer auch akzeptiert werden. Die Tatsache, dass einige Mieter auch in der Salzburger Innenstadt vertreten sind, lässt darauf schließen, dass die Antragsgegnerin die Radiusklausel nicht gegenüber allen Mietern als Vertragsinhalt durchsetzen kann. Das gilt va für Unternehmen mit Ankermarken.
Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung betrifft auch nicht den gesamten relevanten Markt, sondern lediglich das Gebiet innerhalb des „Radius“. Auch zeitlich ist die Radiusklausel in ihrer Wirkung beschränkt, weil sie nicht über die Dauer des Bestandverhältnisses hinaus wirkt. Schließlich ist die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Radiusklausel auf Unternehmen beschränkt, die mit der Antragsgegnerin in einem Vertragsverhältnis stehen; der Marktzutritt neuer Mietinteressenten wird davon nicht berührt. Neue Mietinteressenten können sich vielmehr frei entscheiden, ob sie einen Mietvertrag mit der Antragsgegnerin abschließen oder einen anderen Standort wählen. Dazu kommt, dass in jeder Branche erfahrungsgemäß mehrere Unternehmen tätig sind, sodass die Radiusklausel den Betreiber eines weiteren Einkaufszentrums nicht hindert, seinerseits einen entsprechenden Branchenmix anzubieten. Die für die Attraktivität eines Einkaufszentrums so bedeutsamen Ankermarken sind in der Regel ohnehin nicht durch eine Radiusklausel gebunden.
Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Radiusklausel ist demnach - obwohl die Radiusklausel für die gesamte Dauer des betreffenden Bestandverhältnisses gilt - deutlich geringer als die anderer Ausschließlichkeitsbindungen. Damit besteht auch kein Anlass, auf die von der Antragstellerin im Anschluss an die von Keinert geäußerte Kritik an der Vereinbarkeit der Schwellenwerte der De-minimis-Bekanntmachung mit der Rsp des EuGH einzugehen.
Bündeltheorie:
Die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung kann auch von Bündeln gleicher Vereinbarungen ausgehen („Bündeltheorie“). So gelten Alleinbezugsvereinbarungen als wettbewerbsbeschränkend, wenn die betreffende Vereinbarung isoliert oder gemeinsam mit anderen Verträgen des Vertragsbündels spürbar zur Marktabschottung beiträgt. In Rz 8 der Bagatellbekanntmachung der Europäischen Kommission werden dafür eigene Marktanteilsschwellen angeführt, und zwar 5 % des relevanten Markts sowohl für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern als auch zwischen Nichtwettbewerbern, und 30 % bei nebeneinander bestehenden (Netzen von) Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf den Markt haben. Allein auf den Marktanteil der Verfahrensparteien kommt es daher - selbst wenn man von der Anwendbarkeit der Bekanntmachung ausginge - nicht an.
Der EuGH hat die Bündeltheorie in der Bierbezugsverträge betreffenden Entscheidung C-234/89, Delimitis, Slg 1991, I-935, entwickelt. Danach erfüllen (vertikale) Bezugsvereinbarungen zwischen einem Anbieter und seinen Abnehmern nur dann das für das Kartellverbot notwendige Tatbestandsmerkmal der spürbaren Wettbewerbsbeschränkung, wenn die zu beurteilenden Vereinbarungen im Gesamtzusammenhang mit gleichartigen Vereinbarungen desselben oder auch anderer Anbieter erheblich zur Marktabschottung beitragen und der Markt somit aufgrund eines Bündels von Bezugsvereinbarungen für hinzukommende Bewerber schwer zugänglich ist.
Die Marktabschottung ergibt sich primär aus dem Bindungsgrad der Abnehmer auf dem sachlich relevanten Markt. Dabei ist auch die Dauer der Bezugsbindung wesentlich. Bei einem Bindungsgrad von unter 30 % hat der OGH bereits - im Anschluss an die Europäische Kommission - ausgesprochen, dass eine Marktabschottung unwahrscheinlich ist (16 Ok 1/09 - Radiusklausel III).
Der Bindungsgrad ist jedoch nicht der einzige Beurteilungsfaktor. Vielmehr sind auch die herrschenden Marktbedingungen zu untersuchen, insbesondere die tatsächlichen konkreten Möglichkeiten neuer Wettbewerber, trotz dieser Netze in den Markt einzudringen.
Nach Punkt II.8 der De-minimis-Bekanntmachung werden, wenn in einem relevanten Markt der Wettbewerb durch die kumulative Wirkung von Vereinbarungen beschränkt (...), die verschiedene Lieferanten oder Händler für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen geschlossen haben (kumulativer Marktabschottungseffekt durch nebeneinander bestehende Netze von Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf dem Markt haben), (...) die in Ziffer 7 genannten Marktanteilsschwellen auf 5 % herabgesetzt, sowohl für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern als auch für Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern. Bei einzelnen Lieferanten oder Händlern mit einem Marktanteil, der 5 % nicht überschreitet, ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass sie wesentlich zu dem kumulativen Abschottungseffekt beitragen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein kumulativer Abschottungseffekt vorliegt, wenn weniger als 30 % des relevanten Marktes von nebeneinander bestehenden (Netzen von) Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf dem Markt haben, abgedeckt werden.