31.01.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Differenzierung zwischen Männern und Frauen – zur Frage der Gesetzes- und Verfassungskonformität der Schwerarbeitsverordnung

Der VfGH vertritt die Ansicht, dass der Begriff der „Schwerarbeit“ im Gesetz hinreichend determiniert sei, kein Verstoß der Schwerarbeitsverordnung gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitssatz und auch keine Unsachlichkeit der Umschreibung der körperlichen Schwerarbeit vorliege


Schlagworte: Pensionsversicherung, Schwerarbeit, Differenzierung zwischen Männern und Frauen
Gesetze:

§ 4 APG, § 1 Schwerarbeitsverordnung

GZ 10 ObS 116/11y, 08.11.2011

 

Der Kläger macht geltend, die Gruppenbewertungstabelle von Spitzer/Hettinger/Kaminsky sei nicht ausdrücklich in der Anlage zur Schwerarbeitsverordnung erwähnt. Angesichts ihres Alters sei ihre Heranziehung auch gewagt. Schon die allgemeine Lebenserfahrung zeige, dass der Kalorienverbrauch eines Menschen je nach Körpergröße, Gewicht usw unterschiedlich hoch sei. Zudem werde in der Schwerarbeitsverordnung in unsachlicher Weise differenziert, indem Tätigkeiten als Schwerarbeit einbezogen würden, die bei Anlegung eines objektiven Maßstabs nicht als solche zu qualifizieren seien, andererseits aber belastende Tätigkeiten ausgenommen seien (zB die Tätigkeit eines Fluglotsen untertags). Die gesamte Schwerarbeitsverordnung sei methodisch unschlüssig und somit unsachlich, dies insbesondere auch deshalb, weil es unmöglich sei, den Nachweis von Schwerarbeit für jeden Tag zu erbringen. Es gebe auch keine wissenschaftlich fundierten Grundlagen für die Abgrenzung, wann Schwerarbeit vorliege und wann nicht. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz sei schließlich auch die Differenzierung zwischen Männern und Frauen unzulässig. Die Vorinstanzen hätten daher zu dem Ergebnis kommen müssen, dass es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit um eine schwere körperliche Arbeit iSd Schwerarbeitsverordnung gehandelt habe. Da die Schwerarbeitsverordnung nicht verfassungskonform sei, werde ein Verordnungsprüfungsantrag angeregt.

 

OGH: Auch unter Berücksichtigung dieser vom Kläger vorgebrachten Bedenken hat der OGH mit seinem Beschluss vom 21. 12. 2010, 10 ObS 140/10a, in diesem Verfahren beim VfGH den Antrag gestellt, § 4 Abs 3 und 4 APG als verfassungswidrig sowie § 1 Abs 1 Z 4, § 3 und die Anlage zur Schwerarbeitsverordnung, BGBl II 2006/104, als gesetzwidrig aufzuheben.

 

Mit Erkenntnis vom 6. 10. 2011, G 20/11 ua, V 13/11 ua, hat der VfGH diesen Antrag abgewiesen. Er vertritt in der Begründung seines Erkenntnisses - kurz zusammengefasst - die Ansicht, dass der Begriff der „Schwerarbeit“ im Gesetz hinreichend determiniert sei, kein Verstoß der Schwerarbeitsverordnung gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitssatz und auch keine Unsachlichkeit der Umschreibung der körperlichen Schwerarbeit vorliege.

 

Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des VfGH ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

 

Im Rahmen des Revisionsverfahrens war nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit bzw Gesetzwidrigkeit der bekämpften Bestimmungen zu beurteilen. Da der VfGH die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat und auch die Differenzierung zwischen Männern und Frauen hinsichtlich des Energieumsatzes auf objektiven Kriterien iSe Durchschnittsbetrachtung beruht, die dem Verordnungsgeber nach Ansicht des VfGH auch im vorliegenden Zusammenhang nicht verwehrt ist, war der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.