VwGH: Nichtigerklärung der Beurteilung einer Dissertation gem § 74 Abs 2 UG 2002 und Widerruf des akademischen Grades "Doktorin der Philosophie“ gem § 89 UG 2002
Ein "Erschleichen" der Beurteilung einer Arbeit ist anzunehmen, wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Hinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Hinweise daher zu einem ungünstigeren Ergebnis geführt hätten
§ 74 UG 2002, § 89 UG 2002
GZ 2007/10/0145, 26.09.2011
VwGH: Gem § 74 Abs 2 UG 2002 ist die Beurteilung (ua) einer wissenschaftlichen Arbeit mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn diese Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen wurde.
Gem § 89 UG 2002 ist der Verleihungsbescheid vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ aufzuheben und einzuziehen, wenn sich nachträglich ergibt, dass der akademische Grad insbesondere durch gefälschte Zeugnisse erschlichen worden ist.
Die Beschwerde bestreitet die behördlichen Feststellungen nicht und gesteht ausdrücklich zu, die Bf habe bei der Verfassung ihrer Dissertation unbelegt Stellen aus anderen Werken übernommen; der gegen sie erhobene Plagiatsvorwurf sei "dem Grunde nach berechtigt".
Im Weiteren bringt die Bf vor, das im Gesetz enthaltene Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" könne nur dann vorliegen, wenn in Täuschungsabsicht gehandelt worden sei; nur "diese Schuldform" rechtfertige die gravierende Sanktion der Nichtigerklärung der Beurteilung bzw der Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides. Der angefochtene Bescheid treffe aber keine Feststellungen über das "der Bf anzulastende Verschulden". Die Verhängung einer "derart schweren Sanktion" ohne Berücksichtigung der "Schuldform" stelle einen behördlichen Willkürakt dar; bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmungen der §§ 74 Abs 2 und 89 UG 2002 könne erst "Wissentlichkeit" bei der "Erschleichung" die entsprechenden Sanktionen begründen.
Wie der VwGH in stRsp zu § 46 Abs 2 Universitäts-Studiengesetz - UniStG und nunmehr zu § 74 Abs 2 UG 2002 ausgesprochen hat, ist ein "Erschleichen" der Beurteilung einer Arbeit anzunehmen, wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Hinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Hinweise daher zu einem ungünstigeren Ergebnis geführt hätten.
Die Beschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass das "Erschleichen" iSd § 74 Abs 2 UG 2002 bzw § 89 UG 2002 im Fall des Abschreibens ohne entsprechende Hinweise - nach der hg Rsp - Täuschungsabsicht voraussetzt. Allerdings hat die belangte Behörde Täuschungsabsicht der Bf bei Übernahme der plagiierten Textteile gerade angenommen und diese Annahme in unbedenklicher Weise auf die - in der Beschwerde gar nicht bestrittenen - Feststellungen gestützt, dass die Bf in großem Umfang Textstellen wörtlich übernommen hat, ohne dies offen zu legen, nach ihren eigenen Angaben von korrekter Zitierweise gewusst und sogar an einigen Stellen Umformulierungen der übernommenen Texte vorgenommen hat.
Soweit die Beschwerde darüber hinaus nähere behördliche Erwägungen zum "Verschulden" der Bf angesichts der "Schwere der Strafe" vermisst, so genügt der Hinweis, dass die Rechtsfolgen der §§ 74 Abs 2 und 89 UG 2002 keine Strafen darstellen; vielmehr stellen diese Rechtsfolgen der Nichtigerklärung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit bzw der Aufhebung des Bescheides, mit dem ein inländischer akademischer Grad verliehen wurde, lediglich den vor der - vom Gesetz nicht gebilligten - Erschleichung bestehenden Zustand wieder her.