OGH: Vermögensanlage gem § 446 ASVG – genehmigungspflichtige Beschlüsse nach § 446 Abs 3 ASVG
Der Genehmigungsvorbehalt nach § 446 Abs 3 ASVG ist nicht eine bloße Organisationsvorschrift der internen Willensbildung, sondern eine Anordnung, die die Handlungsfähigkeit der vertretungsberechtigten Organe des Sozialversicherungsträgers auch im Außenverhältnis beschränkt; eine nicht durch die erforderliche ministerielle Genehmigungen gedeckte Willenserklärung des an sich zum Vertragsabschluss zuständigen Organs des Sozialversicherungsträgers bindet diesen nicht
§ 446 ASVG, § 867 ABGB, §§ 1002 ff ABGB, § 1029 ABGB
GZ 8 Ob 11/11t, 24.10.2011
OGH: Gegenstand genehmigungspflichtiger Beschlüsse nach § 446 Abs 3 ASVG sind nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur konkrete Vermögensanlagen in einem einzelnen Fall, sondern auch durch gemeinsame Gruppenmerkmale gekennzeichnete und voraussichtlich vorzunehmende Vermögensanlagen. Bereits die Grundsatzbeschlüsse der zuständigen Gremien der Beklagten (Sozialversicherungsträgerin) über die Zustimmung zu Derivatgeschäften im Bereich des Zinsmanagements, die Grundlage für den Rahmenvertrag der Streitteile waren, hätten zu ihrer Wirksamkeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft, weil sie sich nur auf einen bestimmten Typ von Derivatgeschäften bezogen, aber nicht - schon gar nicht „nachweislich“ - auf Geschäfte mit reiner Sicherungsfunktion eingeschränkt waren.
Bereits der Wortlaut des § 446 Abs 3 ASVG normiert nicht nur eine intern zu beachtende Obliegenheit der Leitungsorgane, sondern eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des zu genehmigenden Beschlusses. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass diese Bestimmung genauso wie § 447 Abs 1 ASVG, der Geschäfte iZm Immobilien unter Genehmigungsvorbehalt stellt, das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel der Sicherung einer sorgfältigen und umsichtigen wirtschaftlichen Gebarung des Sozialversicherungsträgers sichern soll. Die zu § 447 Abs 1 ASVG entwickelten Grundsätze der höchstgerichtlichen Rsp sind auch hier anzuwenden.
Der Genehmigungsvorbehalt nach § 446 Abs 3 ASVG ist nicht eine bloße Organisationsvorschrift der internen Willensbildung, sondern eine Anordnung, die die Handlungsfähigkeit der vertretungsberechtigten Organe des Sozialversicherungsträgers auch im Außenverhältnis beschränkt. Eine nicht durch die erforderliche ministerielle Genehmigungen gedeckte Willenserklärung des an sich zum Vertragsabschluss zuständigen Organs der Beklagten bindet diese nicht.
Die Regelung des § 446 Abs 3 ASVG war auch der Klägerin (Bank) vor Vertragsabschluss ausdrücklich bekannt, weshalb die Revisionsausführungen über eine allgemeine Unzumutbarkeit der Kenntnis interner Organisationsvorschriften öffentlich rechtlicher Körperschaften am konkreten Sachverhalt vorbeigehen. Eine Anscheinsvollmacht kommt im vorliegenden Fall mangels eines der Aufsichtsbehörde zurechenbaren Rechtsscheins von vorne herein nicht in Frage.
Der von der Rekurswerberin angestellte Vergleich mit der Verletzung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, wie einer Überschreitung des Haushaltsplans oder der Missachtung einer Weisung und die Auswirkung von Beschlusserfordernissen in politischen Gemeinden betrifft keinen mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt. Eine Beurteilung, ob ein Derivatgeschäft zur „Absicherung bestehender Positionen“ dient, erfordert in erster Linie das Verständnis der Struktur des Geschäfts und ist daher gerade dem Anbieter am Besten möglich, der sich auch von der Erteilung der Genehmigung durch eine bedungene Vorlage des Genehmigungsbescheids überzeugen kann, bevor er eigene Dispositionen im Vertrauen auf den wirksamen Vertragsabschluss trifft.
Das Genehmigungserfordernis des § 446 Abs 3 ASVG lässt entgegen den Rekursausführungen keine besondere Gefahr eines Missbrauchs durch die öffentlich-rechtliche Körperschaft befürchten. Gerade wenn dem Sozialversicherungsträger die Berufung auf die Unwirksamkeit eines nicht genehmigten Geschäfts versagt würde, das sich als wirtschaftlich nachteilig erweist, würde der im öffentlichen Interesse gelegene Zweck der Genehmigungspflicht, ihn vor selbstschädigenden Vermögensdispositionen zu bewahren, verfehlt. Die Funktion des Genehmigungsvorbehalts als Mittel der präventiven Kontrolle von Rechtshandlungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist nur dann gewährleistet, wenn die Wirksamkeit des zu kontrollierenden Rechtsakts von der Erteilung der Genehmigung abhängt. Anderenfalls bliebe eine Verletzung des Genehmigungsvorbehalts ohne Folgen, weil die Mittel der repressiven Verwaltungskontrolle im Falle privatrechtlicher Verträge nicht wirksam eingreifen.
Die im Rekurs wiederholten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §§ 867 ABGB und 446 Abs 3 ASVG sind nicht zu teilen. Die Notwendigkeit einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung für bestimmte (zumindest hier) auch abgrenzbare Geschäftsfälle ist in ihrer Auswirkung eine Beschränkung der Vertretungsmacht der Organe des Selbstverwaltungskörpers, die umso weniger bedenklich ist, als auch juristische Personen des Privatrechts unterschiedlichen und abgestuften Formen der Vertretung nach außen unterliegen. Die Notwendigkeit einer aufsichtsbehördlichen Zustimmung stellt ein Hemmnis für risikobehaftete Finanztransaktionen der Sozialversicherungsträger dar. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu Lasten Privater ist in den hier zu beurteilenden Bestimmungen aber nicht zu erkennen.
Die Vorinstanzen sind daher zutreffend von einer Unwirksamkeit sowohl des Rahmenvertrags als auch des Quanto-Snowball-Swaps ausgegangen.