OGH: Zu den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein Dienstzeugnis gem § 1163 ABGB (bzw § 39 AngG) iZm einem Grammatikfehler
Ob ein konkretes Dienstzeugnis als eine unzulässige Negativbeurteilung aufgefasst werden könnte, sei es durch inhaltliche Angaben oder aus rein formalen Gründen, ist einzelfallbezogen
§ 1163 ABGB, § 39 AngG
GZ 8 ObA 7/12f, 20.01.2012
OGH: Die Klägerin war beim Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Nach § 1163 Abs 1 ABGB hatte sie bei Beendigung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses über die Dauer und Art der Arbeitsleistung. Die wesentliche Funktion des Dienstzeugnisses besteht darin, dem Stellenbewerber als Nachweis über zurückliegende Arbeitsverhältnisse und dem präsumtiven Arbeitgeber als Informationsquelle über die Qualifikation des Bewerbers zu dienen. Es muss daher alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung und für den Dritten von Interesse sind, andererseits soll es dem Dienstnehmer die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes erleichtern, weshalb keine direkt oder auch nur unterschwellig für ihn nachteiligen Formulierungen enthalten sein dürfen. Auch die äußere Form des Zeugnisses darf nicht so beschaffen sein, dass daraus auf eine mangelnde Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer geschlossen werden kann.
Ob ein konkretes Dienstzeugnis als eine unzulässige Negativbeurteilung aufgefasst werden könnte, sei es durch inhaltliche Angaben oder - wie hier - aus rein formalen Gründen, ist einzelfallbezogen.
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht das Fehlen des Prädikats „war“ im Nebensatz des ansonsten richtigen und vollständigen Dienstzeugnisses als unwesentlichen Mangel beurteilt, der bei objektiver Betrachtung weder Zweifel am gesetzmäßigen Inhalt aufkommen lässt, noch eine Missachtung der Dienstnehmerin andeutet. Diese Rechtsansicht ist nach dem festgestellten Sachverhalt jedenfalls nicht unvertretbar.