OGH: Zuständigkeit der Handelsgerichte gem § 51 JN – unternehmensbezogene Geschäfte iSd Abs 1 Z 1 (iZm Forderung auf rückständige Wohnbeiträge iSd § 32 WEG 2002)
Macht eine Eigentümergemeinschaft gegen eine GmbH Wohnbeiträge für deren Geschäftslokal geltend, dann ist dies - mangels ausreichend engen Sachzusammenhangs zu einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft - keine Streitigkeit iSd § 51 Abs 1 Z 1 JN
§ 51 JN, § 32 WEG 2002, § 344 UGB, § 2 UGB, § 18 WEG 2002
GZ 5 Ob 248/11y, 17.01.2012
Die klagende Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ 1379 GB ***** begehrt von der beklagten Mit- und Wohnungseigentümerin, einer GmbH, die Zahlung der Wohnbeiträge aus den Vorschreibungen für die Zeit von Februar bis Juli 2011 für das Geschäftslokal 1 A (B-LNR 13) in der Höhe von monatlich jeweils 964,74 EUR, insgesamt 5.788,44 EUR sA.
OGH: Vor dem Inkrafttreten des Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG, BGBl I 2005/120) mit 1. 1. 2007 gehörten nach § 51 Abs 1 Z 1 JN vor die selbständigen Handelsgerichte Streitigkeiten (mit einem 10.000 EUR übersteigenden Wert) aus Handelsgeschäften, wenn die Klage gegen einen Kaufmann, eine Handelsgesellschaft oder eine registrierte Genossenschaft gerichtet und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft war.
Die Änderung des Grundtatbestands in den §§ 1 ff UGB durch das HaRÄG erforderte auch die Neufassung des § 51 Abs 1 Z 1 JN. Nach ihrem geänderten Wortlaut (gem Art XIV leg cit) knüpft diese Bestimmung nunmehr die Zuständigkeit der Handelsgerichte an „Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist“. Übersteigt der Streitgegenstand dieser Streitigkeiten nicht 10.000 EUR, sind nach § 52 Abs 1 JN an Orten, an denen ein selbständiges Handelsgericht und Bezirksgerichte für Handelssachen bestehen, die Bezirksgerichte für Handelssachen zuständig.
Geschäfte von Handelsgesellschaften (Personengesellschaften und juristischen Personen), also auch solche von Kaufleuten kraft Rechtsform (§ 6 Abs 2 HGB), galten stets als Handelsgeschäfte. Nichts anders gilt nach der neuen Rechtslage für die hier beklagte GmbH als Unternehmer kraft Rechtsform iSd § 2 UGB. Ihre Geschäfte sind stets unternehmensbezogen.
Neben dem Vorliegen eines unternehmensbezogenen Geschäfts setzt allerdings die Zuständigkeit der Handelsgerichte voraus, dass auch der eingeklagte Anspruch aus einem derartigen Geschäft abgeleitet, somit aus diesem selbst geltend gemacht wird. Insoweit ist keine Änderung zur früheren Rechtslage eingetreten, weshalb zur Konkretisierung dieses Tatbestandserfordernisses auf die bisherige Rsp zurückgegriffen werden kann.
Die Ableitung aus einem Handelsgeschäft lag nun nach LuRsp dann vor, wenn das Handelsgeschäft unmittelbar die Grundlage für die Berechtigung des Anspruchs und den rechtserzeugenden Sachverhalt bildete, auf den der Kläger seinen Anspruch stützte:
So gehörten etwa Schadenersatzansprüche gegen einen Kaufmann nach stRsp nur dann vor die Handelsgerichte, wenn sie aus der Erfüllung, Schlechterfüllung oder Nichterfüllung eines Handelsgeschäfts abgeleitet wurden.
Klagen auf Anfechtung eines Handelsgeschäfts nach der AnfO ordnete der OGH nicht der Handelsgerichtsbarkeit zu, weil der Anfechtungsanspruch von der rechtlichen Eigenart der angefochtenen Rechtshandlung unabhängig sei.
Bei Kondiktionsansprüchen nach § 1431 ABGB wurde teilweise dahingehend differenziert, ob ein Handelsgeschäft die Grundlage für die Beurteilung der Berechtigung des Anspruchs bildete.
In der Entscheidung 2 Ob 67/08d bejahte der OGH nach eingehender Auseinandersetzung mit der zu RIS-Justiz RS0046419 dokumentierten vorangegangenen Rsp die Zuständigkeit der Handelsgerichte nach § 51 Abs 1 Z 1 JN für Ansprüche auf Rückabwicklung eines durch Rücktritt vom Vertrag aufgelösten Rechtsgeschäfts, das auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft war.
Ein Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft wurde hingegen bei einer Klage auf Zahlung von Benützungsentgelt wegen einer von Anfang an titellosen Benutzung einer Liegenschaft verneint.
Ein direkter Geschäftsabschluss zwischen den Prozessparteien wird grundsätzlich nicht gefordert. Für Ansprüche eines aus einem Vertrag zugunsten Dritter als Handelsgeschäft Begünstigten wurde die Zuständigkeit der Handelsgerichte ebenso bejaht wie im Fall einer Legalzession eines aus einem Handelsgeschäft abgeleiteten Anspruchs.
Die Grundzüge der wiedergegebenen Rsp machen deutlich, dass jene Entscheidungen, die die Zuständigkeit der Handelsgerichte bejahten, zumindest einen engen Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit den durch ein Handelsgeschäft (einem unternehmensbezogenen Geschäft) selbst begründeten Forderungen und Pflichten voraussetzen. Ein solcher Konnex ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil hiefür das Bestehen eines Wohnungseigentumsvertrags mit der Beklagten nicht ausreicht:
Der Wohnungseigentumsvertrag ist nach § 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002 die schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer und eine Grundlage für die Begründung von Wohnungseigentum. Dieses dingliche Recht wird nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG 2002 durch Einverleibung ins Grundbuch erworben.
Wurde am betreffenden Wohnungseigentumsobjekt (Geschäftslokal) erstmals zugunsten der beklagten GmbH Wohnungseigentum begründet, wie dies hier aus dem Grundbuch folgt, dann ist der mit der Beklagten iSd § 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002 geschlossene Wohnungseigentumsvertrag (nur) der Titel für die konstitutive Begründung des Wohnungseigentums, das Rechtsgeschäft iSe Einigung über die Veränderung der dinglichen Rechtsposition und notwendige Voraussetzung für das dingliche Verfügungsgeschäft in Form der grundbücherlichen Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts.
Der Abschluss eines solchen Wohnungseigentumsvertrags und der Erwerb des Wohnungseigentums durch Einverleibung als dingliches Verfügungsgeschäft mögen genauso unternehmensbezogene Geschäfte der beklagten GmbH sein wie der derivative Erwerb (zB Kauf) eines bestehenden Wohnungseigentumsobjekts (der mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile an der Liegenschaft) durch eine GmbH. Solche Geschäfte verschaffen einer Gesellschaft die Rechtsposition als Wohnungseigentümer und Mitglied der Eigentümergemeinschaft verbunden mit den durch das WEG 2002 daran geknüpften Rechten und Pflichten. Die klagende Eigentümergemeinschaft war allerdings nicht Vertragspartner des mit der Beklagten geschlossenen Wohnungseigentumsvertrags und unmittelbar aus diesem abgeleitete Ansprüche sind hier auch nicht zu beurteilen.
Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern nach § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Von diesem schon gesetzlich festgelegten Aufteilungsschlüssel kann nur durch einen Beschluss sämtlicher Wohnungseigentümer abgegangen werden (§ 32 Abs 2 WEG 2002). Festsetzung, Vorschreibung und Inkasso (dazu § 20 Abs 5 WEG 2002) der Beiträge gehören als Maßnahme der Verwaltung zu den Aufgaben eines bestellten Verwalters. Wurde kein (vorläufiger) Verwalter bestellt, wird die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 3 WEG 2002 durch die nach Miteigentumsanteilen zu berechnende Mehrheit der Wohnungseigentümer vertreten. Die vorgeschriebenen Akontozahlungen sind für die Beklagte als Wohnungseigentümerin bindend.
Die Verpflichtung, zu den (vorgeschriebenen) liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Aufwendungen der Eigentümergemeinschaft iSd § 32 WEG 2002 beizutragen, beruht auf der dinglichen Rechtsposition als Wohnungseigentümer (§ 2 Abs 1 Satz 1 WEG 2002) zu einem bestimmten Zeitpunkt (Ende der Abrechnungsperiode nach § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002) iVm einem Akt der Verwaltung der Liegenschaft. Die Verpflichtung resultiert demgegenüber nicht - unmittelbar - aus einem Rechtsgeschäft, sondern trifft die Beklagte - wie alle anderen Mit- und Wohnungseigentümer - auf der Grundlage des WEG 2002. Dass das dem Erwerb von Wohnungseigentum zugrunde gelegene Rechtsgeschäft auf Seiten der Beklagten unternehmensbezogen gewesen sein mag, vermittelt betreffend die Verpflichtung zu Beitragszahlungen keinen ausreichend engen Sachzusammenhang, der die handelsgerichtliche Zuständigkeit begründen könnte.