VwGH: Außerordentliche Milderung der Strafe gem § 20 VStG (iZm teilweisem Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs)
Dass die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe herabsetzte, weil dem Beschuldigten nicht der gesamte erstinstanzliche Tatvorwurf anzulasten war, vermag keinen Milderungsgrund iSd § 20 VStG darzustellen
§ 20 VStG, § 34 StGB
GZ 2008/03/0098, 15.12.2011
VwGH: Zum Vorbringen des Bf betreffend § 20 VStG ist festzuhalten, dass nach dieser gesetzlichen Bestimmung die Mindeststrafe bis zur Hälfte ua dann unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Einen konkreten Milderungsgrund, den die belangte Behörde auf dem Boden dieser Bestimmung zugunsten des Bf hätte in Rechnung stellen müssen, nennt die Beschwerde nicht.
Dass die belangte Behörde die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe herabsetzte, weil dem Bf nicht der gesamte erstinstanzliche Tatvorwurf anzulasten war, vermag aber ohnehin keinen Milderungsgrund iSd § 20 VStG darzustellen. Schon auf Grund des systematischen Zusammenhangs zwischen dem § 20 ("Außerordentliche Milderung der Strafe") und der grundlegenden gesetzlichen Regelung zur "Strafbemessung" in § 19 VStG kommen nach § 20 VStG als Milderungs- bzw Erschwerungsgründe jene in Betracht, auf die § 19 VStG abstellt. Nach § 19 Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, "soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen", gegeneinander abzuwägen. Aus diesem wörtlich zitierten Halbsatz betreffend die Bestimmung der Strafdrohung ergibt sich, dass Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht zusätzlich als Strafbemessungsgründe berücksichtigt werden dürfen. Der teilweise Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs im Berufungsverfahren bedeutet jedenfalls einen Umstand, der für den dann vorliegend maßgeblichen Tatbestand (samt der korrelierenden Strafdrohung) relevant ist. Mit dem teilweisen Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs wurde die Grundlage, die das strafbare Verhalten für die Strafbemessung darstellt, verändert, der Entfall vermag für sich genommen weder einen Milderungs- noch einen Erschwerungsgrund darzustellen, ihm wurde (ohnehin) durch die Herabsetzung der Geldstrafe entsprochen. Der teilweise Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs findet sich im Übrigen auch nicht in der auf dem Boden des § 19 Abs 2 VStG im Verwaltungsstrafverfahren relevanten (demonstrativen) Aufzählung der besonderen Milderungsgründe in § 34 StGB, die nach § 19 Abs 2 VStG unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sinngemäß anzuwenden ist.