VwGH: Denkmal iSd § 1 DMSG
Für die Lösung der Frage, ob es sich bei einer Sache um ein Denkmal iSd § 1 Abs 1 DMSG handelt, und ob dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, dass es sich also gem § 1 Abs 2 DMSG um ein Denkmal handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend, wobei insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen ist
§ 1 DMSG, § 3 DMSG, § 52 AVG
GZ 2010/09/0064, 15.12.2011
VwGH: Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu den Abs 1 und 2 des § 1 DMSG lauten:
"Zu Abs. 1:
'Denkmale' im weitesten Sinn sind alle Objekte von mehr oder minder großer geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung. Bei weitem nicht alle sind schützenswert, dh das Bundesdenkmalamt muss erst jene auswählen, deren Bedeutung derart ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen bzw nationalen Interesse gelegen ist.
Das 'öffentliche' = (gem Abs 11) 'nationale' Interesse umfasst auch Denkmale von 'nur' lokaler Bedeutung. Die Erhaltung und reale Dokumentation des gesamten kulturellen Reichtums Österreichs an geschichtlichem Erbe in all seiner Vielfalt ist das grundsätzliche Ziel des DMSG.
Die Begriffe geschichtlich, künstlerisch und kulturell lassen gem der Rsp des VwGH eine Abgrenzung nach bestimmten rechtlich feststellbaren Merkmalen nicht zu, weshalb ihre Feststellung und Bewertung Sachverständiger (normalerweise: Amtssachverständiger) bedarf.
Zu Abs 2:
Nach dem bisherigen Gesetzestext ist die (juristische) Feststellung, dass ein 'öffentliches Interesse an der Erhaltung' eines Objektes gegeben ist, dann möglich, wenn dieses Interesse 'wegen dieser Bedeutung' vorliegt. Diese völlig undifferenzierte Bestimmung mag nicht zu befriedigen, die Frage 'wie groß' die Bedeutung nun einmal sein müsse, welcher konkreten Art sie sein müsse, um genug Gewicht zu haben, ist aus der geltenden Fassung des Gesetzes auch nicht einmal ansatzweise ersichtlich, doch hat die Rsp des VwGH in einer Reihe von Entscheidungen Anhaltspunkte entwickelt, die gewisse Richtlinien liefern, die als beispielhaft zu verstehen sind. Hiezu gehören Einmaligkeit oder Seltenheit genauso wie der Umstand, dass das Denkmal über ähnliche Objekte seiner Bedeutung deutlich hinausragt oder ein besonders gutes oder gut erhaltenes Beispiel einer bestimmten Art von Denkmalen darstellt. Als 'selten' beachtlich ist aber auch, ob ein bestimmtes Denkmal etwa für ein Bundesland eine Seltenheit darstellt, auch wenn es in anderen Bundesländern weit verbreitet ist. Die im Gesetzestext genannten Kriterien Qualität, Vielzahl, Vielfalt und Verteilung umfassen diese und ähnliche Umstände.
Die geschichtliche Dokumentation kann eine kunst- bzw baugeschichtliche ebenso sein wie eine kulturelle durch die Dokumentation (das Zeugnis) einer Lebens- und Arbeitsweise der Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe.
Nicht zu vergessen sind alle jene Denkmale, denen geschichtliche Bedeutung deshalb zukommt, weil sich in diesen Objekten (auch wenn sie ihr Aussehen zwischenzeitig verändert haben sollten) geschichtliche Ereignisse zugetragen haben. Hiezu gehören auch etwa alle jene Denkmale, denen Bedeutung als Geburts-, Wohn-, Arbeits- und Sterbeort einer berühmten Persönlichkeit zukommt. Es handelt sich hiebei sicherlich oftmals um Denkmale, die auch als Gedenkstätten bezeichnet werden könnten."
Vor dem Hintergrund dieser Erläuterungen ist daher festzuhalten, dass nicht jedes Objekt von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung als Denkmal unter Schutz zu stellen ist. Voraussetzung für die Feststellung gem § 1 Abs 2 und 5 DMSG, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Denkmals besteht, ist vielmehr im Wesentlichen ein Mindestmaß an Seltenheit sowie der von den Denkmalbehörden festzustellende Umstand, dass dem Objekt ein Dokumentationscharakter im angeführten Sinne zukommt.
Jede Entscheidung über die Unterschutzstellung eines Denkmals nach § 3 iVm § 1 DMSG bewirkt im Hinblick auf die damit eintretenden Rechtsfolgen, insbesondere des Verbots der Zerstörung und jeder Veränderung gem § 4 leg cit, einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Eigentums des betroffenen Eigentümers. Bereits bei einer Unterschutzstellung gilt "der Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung", die Unterschutzstellung darf "die unbedingt notwendige Eigentumsbeschränkung nicht überschreiten", und es "ist eine Teilunterschutzstellung in allen jenen Fällen, in denen sie fachlich ausreicht, anzuwenden" (vgl die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur DSMG-Novelle 1999, 1789 BlgNR, 20. GP, 39). Bereits dies entspricht dem in Art 5 StGG und Art 1 1. ZP EMRK grundgelegten Gedanken, dass eine Eigentumsbeschränkung nur dann und nur soweit zulässig ist, wenn sie zur Erreichung ihrer Ziele geeignet und erforderlich ist.
Nach der Rsp des VwGH ergibt sich aus § 1 Abs 1 iZm § 3 DMSG aber, dass im Unterschutzstellungsverfahren die im öffentlichen Interesse stehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Gegenstandes zu prüfen ist, während die technische Möglichkeit der (weiteren) Erhaltung des Gegenstandes auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, die Kosten einer solchen Erhaltung und die Wirtschaftlichkeit der Aufwendung solcher Kosten in diesem Verfahren - anders als im Verfahren nach § 5 DMSG - grundsätzlich noch unbeachtlich sind; und ebenso auch eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmales wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Interessen noch nicht stattfindet.
Für die Lösung der Frage, ob es sich bei einer Sache um ein Denkmal iSd § 1 Abs 1 DMSG handelt, und ob dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, dass es sich also gem § 1 Abs 2 DMSG um ein Denkmal handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend, wobei insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen ist. Grundlage einer solchen Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung und jener Dokumentationscharakter iSd § 1 Abs 2 DMSG näher dargelegt wird, aus dem der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist.