OGH: Zu den sich aus § 22 Abs 2a WGG ergebenden Grenzen der Überprüfbarkeit von Baukosten
Ein Anspruch auf Legung von Einzelrechnungen und deren Überprüfbarkeit auf ihre Angemessenheit besteht nach dem Wesen eines Generalunternehmervertrags nicht, sodass nur qualitative und quantitative Minderleistungen im Verhältnis zum Leistungsverzeichnis eingewendet werden können
§ 22 WGG, § 13 WGG, § 23 WGG
GZ 5 Ob 117/11h, 13.12.2011
OGH: Nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Baulichkeit gelegen ist, über Anträge betreffend die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Entgelts (§ 13 Abs 4 bis 6 und § 14 WGG).
Unter „Angemessenheit“ des Entgelts ist die Zulässigkeit bzw rechtmäßige Höhe des Entgelts zu verstehen. In allen Belangen der Preis- und Entgeltbemessung sind die in § 23 Abs 1 WGG normierten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu wahren. Demnach dürfen nur gerechtfertigte Aufwendungen auf die Nutzer bzw Wohnungseigentümer überwälzt werden.
Das zulässige Entgelt für die Überlassung von Räumlichkeiten regelt § 13 WGG.
Die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (§ 13 Abs 3 WGG) erlassene Entgeltrichtlinienverordnung 1994 (ERVO 1994) BGBl 1994/924 idgF definiert in § 1 den Begriff der „Baukosten“ als jene, die für die Errichtung der Baulichkeit nachweislich aufgewendet wurden.
Des Weiteren sind der Berechnung des Entgelts zugrundezulegen die Grundkosten, die Aufschließungskosten und die sonstigen Kosten, soweit sich für die Errichtung und Bewohnbarmachung der Baulichkeit erforderlich sind, die Bauverwaltungs- und Finanzierungskosten (§ 13 Abs 2 Z 2 und 3 WGG iVm §§ 2 bis 5 ERVO 1994).
Die besonderen Verfahrensvorschriften der § 22 Abs 2 und Abs 2a WGG betreffen explizit nur die iZm den eigentlichen Baukosten stehenden Fragen, nicht aber die gesamten Herstellungskosten.
Das in dieser Bestimmung beschriebene stufenweise prozessuale Vorgehen im Verfahren außer Streitsachen soll durch seine Strukturierung ermöglichen, in einem sonst uferlosen, zeit- und kostenaufwändigen Verfahren unter Beiziehung aller aus dem Titel eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags an der Liegenschaft Berechtigten in zeitlicher Straffung das Verfahren über die Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Entgelts durchzuführen.
Wird die „Angemessenheit“ (Zulässigkeit) des Entgelts - wie hier - rechtzeitig iSd § 18 Abs 3 WGG mit der Begründung bekämpft, dass die den gesamten Herstellungskosten zugrundegelegten Baukosten nicht ordnungsgemäß abgerechnet wurden, überhöht seien oder die verrechneten Leistungen nicht erbracht wurden, hat das Gericht/die Schlichtungsstelle der Gemeinnützigen Bauvereinigung die Endabrechnung der Baukosten unter Anschluss eines Verzeichnisses aller Vertragspartner aufzutragen. Nach Vorlage dieser Unterlagen ergeht ein Auftrag an den jeweiligen Antragsteller, binnen 6 Monaten die behaupteten Berechnungsfehler (also Verstöße gegen § 13 WGG in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht) kurz und vollständig anzugeben.
Durch die WRN 2006 (BGBl I 2006/124) wurde mit Wirkung vom 1. 10. 2006 dem § 22 Abs 2 ein Abs 2a eingefügt.
Die Gegenüberstellung der in § 22 Abs 2 Z 2 WGG und § 22 Abs 2a Z 2 WGG verwendeten Begriffe „Berechnungsfehler“ bzw „Minderleistung“ werden hinsichtlich des Umfangs sich daraus ergebender Überprüfungsmöglichkeiten einer Baukostenabrechnung im Schrifttum übereinstimmend bewertet:
Nach Rosifka erfolge durch die Neuregelung eine massive Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeit, weil damit jegliche Einwendung gegen die Unangemessenheit des mit dem Generalunternehmer vereinbarten Gesamtpreises abgeschnitten sei, wenngleich er zugesteht, dass das Verlangen der Mieter nach Vorlage sämtlicher Rechnungen bei Beauftragung eines Generalunternehmers „überzogen“ wäre.
Würth hält eine „strenge Überprüfung der Preiskalkulation“ für gesetzwidrig, weil es nur auf die aufgewendeten Baukosten und insgesamt nur darauf ankomme, ob ein sich insgesamt ergebender Saldo angemessen sei.
In zweitinstanzlicher Rsp war vor der Rechtsänderung durch die Wohnrechtsnovelle 2006 die Ansicht vertreten worden, dass bei Beauftragung eines Generalunternehmers die Bauvereinigung sämtliche Einzelrechnungen der Subunternehmer des Generalunternehmers vorzulegen habe. Würth nimmt zur neuen Bestimmung des § 22 Abs 2a WGG wie folgt Stellung: „Das Wesen einer Abrechnung besteht in der Gegenüberstellung der erbrachten Leistungen und dem dafür bezahlten Preis. Ist nur ein einheitlicher Preis für noch so verschiedene Leistungen vereinbart, kann vom Abrechnungspflichtigen [das ist die Gemeinnützige Bauvereinigung und nicht der Generalunternehmer] nicht ein Splitten des Preises begehrt werden. Vielmehr besteht die zu prüfende Abrechnung in der Vorlage des endgültigen Leistungsverzeichnisses und des endgültigen Preises [samt dem dem Auftrag zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis]“.
Auch er hält die Neuregelung für zu eng, weil sie eine Überprüfbarkeit des Gesamtpreises durch einen Sachverständigen nicht zulasse.
Nach den Gesetzesmaterialien soll mit der Regelung des § 22 Abs 2a WGG „ermöglicht werden, dass auch im Fall der Betrauung eines Generalunternehmers dem Mieter oder Wohnungserwerber eine taugliche Grundlage für die Feststellung allfälliger Leistungsstörungen gegeben wird“.
Den Antragstellern wurden die gesetzlich vorgesehenen Abrechnungsunterlagen zugänglich gemacht (die im Schlichtungsstellenverfahren vorgelegte „Baubeschreibung-Auftragsgrundlage“ ist nach den Feststellungen ident mit dem dem Generalunternehmervertrag zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis). Ein Anspruch auf Legung von Einzelrechnungen und deren Überprüfbarkeit auf ihre Angemessenheit besteht nach dem Wesen eines Generalunternehmervertrags nicht, sodass nur qualitative und quantitative Minderleistungen im Verhältnis zum Leistungsverzeichnis eingewendet werden können. Den Antragstellern wurde die gesetzliche Einwendungsfrist unter Einhaltung der Bestimmung des § 22 Abs 2a Z 2 WGG geboten.
Die Antragsteller haben sich während des gesamten Verfahrens darauf zurückgezogen, ohne Einzelrechnungen der Subunternehmer keine Bemängelung vornehmen zu können, die Abrechnung sei weder im Gesamten noch hinsichtlich bestimmter einzelner Positionen „nachvollziehbar“. Diese Einwendungen ermöglichten und erforderten keine Prüfung von strittigen Tatumständen im besonderen Beweisverfahren nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG. Konkrete Minderleistungen wurden nicht aufgezeigt.
Der Berechnung des zulässigen Entgelts sind aber neben den für das weitere Verfahren nicht mehr in Frage stehenden „eigentlichen“ Baukosten auch die „sonstigen Kosten“ des § 13 Abs 2 Z 3 WGG zugrunde zu legen. Unter diesem Aspekt sind die Ausführungen der Revisionsrekurswerber beachtlich, soweit mit ihnen eine Doppelverrechnung durch von der Antragsgegnerin pauschal in Rechnung gestellte Bauverwaltungskosten, Planungskosten und Kosten örtlicher Bauaufsicht mit den Baukosten behauptet wird.
§ 4 Abs 1 ERVO 1994 regelt in Ausführung des § 13 WGG, dass derartige Kosten (nur) insoweit zugrunde zu legen sind, als sie nicht schon bei den in §§ 1 bis 3 ERVO aufgezählten Kosten (etwa Baukosten) Berücksichtigung fanden. Technische Eigenleistungen (§ 4 Abs 5 Z 1 ERVO 1994) dürfen (nur) soweit der Entgeltbildung zu Grunde gelegt werden, als sie nicht durch Bauverwaltungskosten (§ 4 Abs 3 ERVO 1994) abgegolten sind.
Die Abgrenzung von Kostenbereichen, die von der Antragsgegnerin in der Endabrechnung geltend gemacht werden, ist unter Berücksichtigung der Gebarungsrichtlinienverordnung (GRVO) 1979 BGBl 1979/523 idgF, insbesondere unter den in ihren Anhängen A und B verwendeten Begriffen vorzunehmen.
Insbesondere dürfen den Mietern, ausgehend von dem in § 23 Abs 1 WGG normierten Kostendeckungsprinzip unter den genannten Titeln (Planung, örtliche Bauaufsicht, Bauverwaltung, Bauüberwachung), keine höheren als die den tatsächlichen Kosten entsprechenden, angerechnet werden. Eine bestimmte Leistung darf auch nur einmal, nicht aber mehrmals, etwa einmal als Bestandteil eines Pauschalbetrags, das andere Mal unter einem anderen Titel verrechnet werden.
Entsprechende Behauptungen haben die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren aufgestellt. Feststellungen, die eine rechtliche Beurteilung der Angemessenheit iSd Zulässigkeit dieser für die Entgeltsbildung maßgeblichen Positionen zuließen, fehlen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren nach vorheriger Erörterung mit den Parteien - allenfalls unter Heranziehung der von der MA 50 - Neubauförderung erzielten Prüfungsergebnisse und entsprechender von der Antragsgegnerin vorgelegter Unterlagen oder sonstiger Beweismittel - im nach dem ergänzenden Vorbringen notwendigen Umfang die Behauptung von Doppelverrechnungen zu prüfen haben.
Die Vorinstanzen haben sich schließlich mit dem Einwand der Antragsteller nicht auseinandergesetzt, die ihnen bekanntgegebene Berechnung des Entgelts berücksichtige nicht die von ihnen bereits geleisteten Zahlungen für Darlehenstilgung und den bei Mietvertragsbeginn im Oktober 1998 geleisteten Finanzierungsbeitrag von 252.870 ATS, welche Zahlungen zufolge §§ 13, 14 WGG bei der Ermittlung des Entgelts zu berücksichtigen sind.
Zuletzt wird zu prüfen sein, ob die von der Antragsgegnerin erstellte Entgeltsberechnung tatsächlich noch auf einem unrichtigen Verteilungsschlüssel beruht.
Im unrichtigen Verständnis, der Antrag beziehe sich ausschließlich auf die Überprüfung des Entgelts im Hinblick auf eine Unrichtigkeit der Baukostenabrechnung und nicht auch auf das sich aus der gesamten Endabrechnung ergebende, zulässige Entgelt (das laufende Entgelt), haben die Vorinstanzen diesen Einwänden entsprechende Feststellungen und Klärungen unterlassen.