28.02.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: § 24 HVertrG – Ausgleichsanspruch bei Kündigung des Handelsvertreters aus dem Unternehmer zurechenbaren Umständen (Abs 3 Z 1)

Vorgaben, Anordnungen oder ein sonstiges Verhalten des Unternehmers können einen vertragsrelevanten (nicht unbedingt wichtigen), dem Unternehmer bzw seiner Sphäre zurechenbaren Umstand darstellen, der dem Handelsvertreter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar macht


Schlagworte: Handelsvertreterrecht, Ausgleichsanspruch, Kündigung des Handelsvertreters aus dem Unternehmer zurechenbaren Umständen
Gesetze:

§ 24 HVertrG

GZ 8 ObA 5/12m, 20.01.2012

 

OGH: Die Vorinstanzen haben die Grundsätze für die Annahme eines trotz Eigenkündigung des Handelsvertreters anspruchswahrenden „begründeten Anlasses“ iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG zutreffend dargelegt. Dazu hätten sie allerdings nicht auf die Rechtslage in Deutschland zurückgreifen müssen. Vielmehr ist die Rechtslage durch die Rsp des OGH geklärt. So wurde etwa in der Entscheidung 8 ObA 11/11t ausgesprochen, dass auch die negative Beeinflussung der wirtschaftlichen Lage des vom Handelsvertreter geführten Betriebs, sodass dessen wirtschaftliche Führung unter zumutbaren Bedingungen nicht mehr möglich erscheint, einen anspruchswahrenden, dem Unternehmer zurechenbaren Umstand darstellen kann. Maßgeblich ist, ob der Betrieb aufgrund der zu beurteilenden (auch vertragskonformen) Maßnahme des Unternehmers gewinnbringend geführt werden und daher unter zumutbaren Voraussetzungen bestehen kann. Aus den Entscheidungen 1 Ob 275/07h und 9 ObA 18/09a ergibt sich, dass Vorgaben, Anordnungen oder ein sonstiges Verhalten des Unternehmers einen vertragsrelevanten (nicht unbedingt wichtigen), dem Unternehmer bzw seiner Sphäre zurechenbaren Umstand darstellen können, der dem Handelsvertreter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar macht. Ebenso ist in der Rsp des OGH geklärt, dass auch ein Kausalzusammenhang zwischen der Eigenkündigung des Handelsvertreters und dem begründeten Anlass bestehen muss und dabei insbesondere zu berücksichtigen ist, welche Bedeutung der Handelsvertreter dem behaupteten Verhalten des Unternehmers selbst beigemessen hat. Schließlich wurde in der Entscheidung 8 ObA 40/11g klargestellt, dass die Entlohnung des Handelsvertreters für den Aufbau des Kundenstocks primär in der Provision besteht, während der Ausgleichsanspruch verhindern soll, dass ihn der Geschäftsherr durch willkürliche Beendigung des Vertragsverhältnisses einseitig um die Früchte seiner Aufbauarbeit bringen kann.

 

Die in der außerordentlichen Revision neuerlich angesprochenen Kurseinbrüche (auch) bei Immobilienaktien waren nicht im Einflussbereich der Beklagten gelegen. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang selbst auf die Finanzkrise hin. Soweit er auf den „Umgang der Beklagten mit der Finanzkrise“, also auf die Strategie in Reaktion auf die fallenden Kurse Bezug nimmt, ist er auf die Feststellung zu verweisen, wonach er frei entscheiden konnte, welche Strategie er jedem einzelnen Kunden empfiehlt, und wonach er das von ihm verfolgte Konzept, nämlich den Verkauf von Aktienfonds, ab Jänner 2008 bei seinen Kunden auch umsetzte.

 

Den „schlechten Ruf“ der Beklagten bezieht der Kläger in erster Linie darauf, dass der Verkauf von Immobilienaktien forciert wurde. Nach den Feststellungen wählte der Kläger, der als selbständiger und gewerblicher Vermögensberater tätig war, die Produkte für seine Kunden jedoch eigenständig aus. Soweit er auf Beschwerden von Kunden hinweist, steht etwa nicht fest, dass er von der Beklagten zu systematischen Fehlberatungen angehalten worden wäre; derartiges hat er auch nicht behauptet. Daraus, dass er es offenbar verstanden hatte, die Verantwortung für die Kursverluste in der Meinung der Kunden auf die Beklagte abzuwälzen, kann kein in der Sphäre der Beklagten gelegener Umstand abgeleitet werden.

 

Insgesamt stellt die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass ein der Beklagten zurechenbarer und in ihrem Einflussbereich gelegener begründeter Anlass iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG zur Kündigung des Agentenvertrags durch den Kläger nicht bejaht werden könne, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.