28.02.2012 Verfahrensrecht

OGH: Vorprüfung des Sanierungsplanantrages gem § 142 IO – zu den Kriterien für die Ausübung des Ermessens bei einer Zurückweisung nach § 142 Z 3 IO

Den fakultativen Zurückweisungsgründen im Rahmen der Vorprüfung (§ 142 IO) kommt taxativer Charakter zu; der Tatbestand des § 142 Z 3 erste Alternative IO besteht darin, dass ein früherer Sanierungsplan von den Gläubigern bereits abgelehnt wurde; in einem solchen Fall ist unter Heranziehung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger als Beurteilungskriterium eine fakultative Zurückweisung des neuerlichen Sanierungsplanantrags möglich; dem Insolvenzgericht kommt dabei ein gewisser (gebundener) Ermessensspielraum zu


Schlagworte: Insolvenzrecht, Sanierungsplan, Vorprüfung, Zurückweisung, Ermessen, gemeinsame Interessen der Gläubiger
Gesetze:

§ 142 IO, § 140 IO

GZ 8 Ob 123/11p, 20.12.2011

 

OGH: In der Entscheidung 8 Ob 25/11a hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass die Unzulässigkeits- und Versagungsgründe für das Zahlungsplanverfahren in den §§ 194 und 195 KO (IO) taxativ geregelt sind. Die korrespondierenden Bestimmungen für den Zwangsausgleich (jetzt Sanierungsplan) der §§ 141 und 142 KO (IO) seien auf den Zahlungsplan daher nicht anzuwenden. Seinem Wesen nach stelle der Zahlungsplan aber einen Zwangsausgleich (jetzt Sanierungsplan) dar, wenn auch mit gewissen Besonderheiten.

 

Aufgrund der gleichgelagerten Wertung ist konsequenterweise anzunehmen, dass auch den für den Sanierungsplan normierten Unzulässigkeitsgründen (§ 141 IO), weiters den fakultativen Zurückweisungsgründen im Rahmen der Vorprüfung (§ 142 IO) und den Versagungsgründen (§§ 153 und 154 IO) taxativer Charakter zukommt. Diese Ansicht steht mit der hM im Einklang.

 

Der Insolvenzverwalter vertritt im Revisionsrekurs die Ansicht, dass die gemeinsamen Interessen der Gläubigerschaft „iSd § 154 Z 2 IO“, also die Unangemessenheit der Sanierungsplanquote, bereits im Vorprüfungsverfahren gem § 142 Z 3 IO zu berücksichtigen seien. Diese Ausführungen können durchaus dahin verstanden werden, dass die Angemessenheit der Sanierungsplanquote iSd § 154 Z 2 IO allgemein, also ohne weitere Voraussetzungen, bereits im Rahmen der Vorprüfung beachtet werden müsste. Damit würde sich der Insolvenzverwalter auf die dritte Alternative in § 142 Z 3 IO beziehen.

 

Nach § 142 Z 3 IO kann das Insolvenzgericht einen Sanierungsplanantrag zurückweisen,

- wenn ein Sanierungsplan von den Gläubigern abgelehnt oder

- vom Schuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung der Sanierungsplantagsatzung zurückgezogen oder

- wenn der Sanierungsplan vom Gericht nicht bestätigt wurde.

 

Die Regelungen in § 142 Z 1, 2 und 3 IO entsprechen weitestgehend jenen in § 142 Z 1, 3 und 4 KO. Gem § 142 Z 3 dritte Alternative IO (Z 4 KO) kann demnach ein neuerlicher Sanierungsplanantrag zurückgewiesen werden, wenn einem früheren, bereits angenommenen Sanierungsplan rechtskräftig die Bestätigung versagt wurde. Die in Rede stehende dritte Alternative verlangt somit einen rechtskräftigen Versagungsbeschluss. Auf das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger gem § 154 Z 2 IO kann im Vorprüfungsverfahren daher nicht zurückgegriffen werden.

 

Im Rahmen seiner Ausführungen bezieht sich der Insolvenzverwalter allerdings auch auf die gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger als Kriterium für die Ermessensübung nach § 142 IO. Genau in diesem Zusammenhang hat sich das Erstgericht auf den Tatbestand des § 142 Z 3 erste Alternative IO gestützt.

 

Die Schlussfolgerungen des Rekursgerichts, dass allein die Tatsache, dass der Sanierungsplanvorschlag aus Sicht des Erstgerichts nicht im gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger liege, für die Zurückweisung noch nicht ausreiche, sowie dass im Vorprüfungsstadium nicht auf § 154 IO zurückgegriffen werden dürfe, sind durchaus richtig. Das Rekursgericht darf aber nicht unterstellen, dass das Erstgericht den Versagungsgrund des § 154 Z 2 IO als zusätzliche (analoge) Voraussetzung für das Vorprüfungsverfahren heranzieht. Entgegen den Überlegungen des Rekursgerichts stützt sich das Erstgericht auch nicht auf den Unzulässigkeitsgrund der Verschleppungsabsicht nach § 141 Abs 2 Z 5 IO.

 

In Wirklichkeit zieht das Erstgericht die allgemeinen gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger (lediglich) als Beurteilungskriterium für die Ermessensübung iSd § 142 IO heran. Den Zurückweisungsgrund erblickte es dabei nicht in § 154 Z 2 IO (analog), sondern vielmehr in § 142 Z 3 erste Alternative IO. Es folgt dabei ausdrücklich der Ansicht von Riel. Danach enthalte § 142 KO (IO) keine näheren Kriterien für die Ermessensübung. Diese würden sich aber aus der allgemeinen Pflicht des Insolvenzgerichts zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger ergeben. Im Vorprüfungsverfahren gem § 142 KO (IO) sei daher zu klären, ob einer der Tatbestände des § 142 leg cit erfüllt sei, und ob die Durchführung des Sanierungsplanverfahrens aus diesem Grund im konkreten Fall dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger widerspreche. Die Anwendung des § 142 sollte maßhaltend und nur nach sorgfältiger Abwägung der va die Gläubigerschaft berührenden Belange erfolgen.

 

Der Tatbestand des § 142 Z 3 erste Alternative IO besteht darin, dass ein früherer Sanierungsplan von den Gläubigern bereits abgelehnt wurde. In einem solchen Fall ist nach den dargestellten Grundsätzen, die der erkennende Senat für zutreffend erachtet, unter Heranziehung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger als Beurteilungskriterium eine fakultative Zurückweisung des neuerlichen Sanierungsplanantrags möglich. Dem Insolvenzgericht kommt dabei ein gewisser (gebundener) Ermessensspielraum zu.

 

Aus der Entscheidung des Rekursgerichts geht nun nicht klar hervor, ob es unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtsansicht die Ermessensentscheidung des Erstgerichts überprüft. Gegen diese Annahme sprechen einerseits die Beurteilung des Rekursgerichts, dass im Vorprüfungsverfahren der Sanierungsplanantrag vor einer Abstimmung durch die Gläubiger niemals zurückgewiesen werden dürfe, sowie andererseits der Hinweis, dass im Vorprüfungsverfahren die Zurückweisung nicht auf § 154 IO gestützt werden dürfe.

 

Aufgrund dieser Unklarheiten ist die Entscheidung des Rekursgerichts im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Rekursgericht Gelegenheit zu geben, die Ermessensentscheidung des Erstgerichts auf Basis des § 142 Z 3 erste Alternative IO nach den dargestellten Grundsätzen und nach Maßgabe der entsprechenden Ausführungen im Rekurs des Insolvenzverwalters inhaltlich zu überprüfen.