12.03.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Festsetzung der Bemessungsgrundlage nach billigem Ermessen gem § 182 ASVG

Wann die Errechnung der Höhe der Bemessungsgrundlage nach den §§ 179 bis 181b ASVG eine Unbilligkeit bedeuten würde, kann nur nach den Besonderheiten des Einzelfalles entschieden werden


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Unfallversicherung, Versehrtenrente, Festsetzung der Bemessungsgrundlage nach billigem Ermessen, selbständig Erwerbstätiger
Gesetze:

§ 182 ASVG, § 181 ASVG, § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG

GZ 10 ObS 92/11v, 08.11.2011

 

OGH: Die Bemessungsgrundlage ist nicht nur dann gem § 182 ASVG nach billigem Ermessen festzustellen, wenn sie nach den §§ 179 bis 181b ASVG nicht errechnet werden kann (§ 182 Satz 1 Halbsatz 1 ASVG), sondern auch dann, wenn ihre Errechnung nach diesen Bestimmungen eine Unbilligkeit bedeuten würde (§ 182 Satz 1 Halbsatz 2 ASVG).

 

Der erkennende Senat hat bereits festgehalten, dass die Frage, wann die Errechnung der Höhe der Bemessungsgrundlage nach den §§ 179 bis 181b ASVG eine Unbilligkeit bedeuten würde, nur nach den Besonderheiten des Einzelfalls entschieden werden kann.

 

Im Hinblick darauf, dass nach § 181 ASVG für selbständig Erwerbstätige die Bemessungsgrundlage in der Unfallversicherung nach festen Beträgen festgestellt wird, hat es der OGH aber auch schon als mit dem Gesetz durchaus im Einklang stehend beurteilt, von dieser festen Bemessungsgrundlage auch dann auszugehen, wenn die Bemessungsgrundlage zB für einen nichtversicherten selbständig Erwerbstätigen (für einen freiberuflich tätigen, in der Unfallversicherung nicht versicherten Rechtsanwalt) nach billigem Ermessen gem § 182 ASVG festzustellen ist.

 

Die Fallgestaltung, die der Senat mit dem im letztgenannten Rechtssatz verwerteten Urteil, 10 ObS 170/02a (Bemessungsgrundlage für als Plasmaspender an Hepatitis C erkrankten Rechtsanwalt), entschieden hat, ist dem hier vorliegenden Sachverhalt durchaus vergleichbar; gehörte doch auch der Kläger zum Unfallszeitpunkt der Personengruppe der selbständig Erwerbstätigen an, für die der Gesetzgeber - aus den in der eben zitierten Entscheidung ausführlich dargelegten Gründen - in der Unfallversicherung eine feste Bemessungsgrundlage gem § 181 ASVG geschaffen hat; wobei sich diese Gruppe wesentlich von jener der unselbständig Versicherten unterscheidet, für die eine aus dem Entgelt errechnete variable Bemessungsgrundlage (§ 179 ASVG) festgelegt ist:

 

Da die Pflichtversicherung der Selbständigen in der Unfallversicherung anders als jene der unselbständig Versicherten nicht einkommensproportional ausgestaltet ist, ist für sie eine besondere Bemessungsgrundlage erforderlich. Der Gesetzgeber hat dafür im § 181 ASVG feste Pauschalbeträge als Bemessungsgrundlagen vorgesehen, denen auch ein fixer Beitrag gegenübersteht. Entgegen dem Standpunkt der außerordentlichen Revision wird damit bei den selbständig Erwerbstätigen auch vom Prinzip abgegangen, dass die Bemessungsgrundlage ein Spiegel der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten sein soll.

 

Es liegt daher im Rahmen der Grundsätze dieser Rsp, wenn das Berufungsgericht im Fall des Klägers nach billigem Ermessen (§ 182 ASVG) nicht die variable (geringere) allgemeine Bemessungsgrundlage für unselbständig Versicherte (Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen im letzten Kalenderjahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalls [§ 179 Abs 1 ASVG]) herangezogen hat, sondern - mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine daraus abzuleitende Unbilligkeit - von der für seine selbständige Tätigkeit als Trafikant maßgebenden festen Bemessungsgrundlage gem § 181 Abs 1 ASVG ausgegangen ist.