VwGH: Selbständige Erwerbstätigkeit iSd § 12 Abs 3 lit b AlVG
Aus dem Umstand, dass der Bf im entsprechenden Jahr ein Einkommen bzw Umsätze erzielt hat, ist kein weiterer Rückschluss auf den tatsächlichen Beginn der selbständigen Erwerbstätigkeit zu ziehen
§ 12 Abs 3 lit b AlVG
GZ 2010/08/0079, 18.01.2012
VwGH: Unter selbständiger Erwerbstätigkeit ist nach der Rsp des VwGH eine "Arbeitsleistung" zu verstehen, welche die Schaffung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezweckt, wobei es rechtlich belanglos ist, ob dieser Zweck auch regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird. Der Frage, ob der Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum des Bezuges von Arbeitslosengeld Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in einem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Ausmaß bezogen hat, ist somit gedanklich vorgelagert, ob er in diesem Zeitraum überhaupt selbständig erwerbstätig gewesen ist. Dabei kommt es zwar nicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zufließens von Einkünften aus einer solchen selbständigen Erwerbstätigkeit (also nicht auf den Zeitpunkt der Umsätze) an, wohl aber - wenn die selbständige Erwerbstätigkeit erst begonnen wurde - auf jenen Zeitpunkt, in dem eine solche Tätigkeit erstmals entfaltet worden ist, dh ab welchem Zeitpunkt die im Rahmen der selbständigen Erwerbstätigkeit vom Bf beabsichtigten Leistungen erstmals nach außen zu Tage tretend zumindest angeboten wurden. Gem § 2 Abs 1 EStG ist der Einkommensteuer "das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat". Die im Einkommensteuerrecht maßgebende Periode ist somit (unbeschadet der Frage des Gewinnermittlungszeitraumes iSd § 2 Abs 5 bis 7 EStG) immer das ganze Kalenderjahr, nicht aber Teile davon. Aus dem Umstand, dass der Bf im Jahr 2007 ein Einkommen bzw Umsätze erzielt hat, ist daher kein weiterer Rückschluss auf den tatsächlichen Beginn der selbständigen Erwerbstätigkeit zu ziehen.
In jenen Erkenntnissen hat der VwGH auch ausgesprochen, dass es freilich beim Bf liege, der belangten Behörde alle jene Umstände darzulegen, aus denen sich ein tatsächlich späterer Beginn der Aufnahme seiner selbständigen Erwerbstätigkeit (im oben beschriebenen Sinne) ergibt. Dafür könnten die Fragen der Anmietung des Geschäftslokales, der Lieferung der Büroeinrichtung oder der erstmaligen nach außen zutage getretenen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit iVm der erstmaligen Erzielung von Umsätzen von Bedeutung sein. Der VwGH führte auf den damaligen Sachverhalt bezogen aus, dass, sollte der Bf zunächst ausschließlich Vorbereitungsarbeiten für die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit durchgeführt und keine Umsatzgeschäfte getätigt haben, sowie bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht durch das Anbieten seiner gewerblichen Leistungen nach außen in Erscheinung getreten sein, jedenfalls bis zum behaupteten Ende der reinen Vorbereitungshandlungen (ungeachtet der Periodizität der steuerlichen Veranlagung) eine selbständige Erwerbstätigkeit iSd § 12 Abs 3 lit b AlVG noch nicht angenommen werden könne.
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu, wenn darin zusammengefasst das Fehlen von amtswegigen Ermittlungen bzw von notwendigen Feststellungen dazu gerügt wird, welche konkreten Tätigkeiten der Bf im gegenständlichen Zeitraum von 1. Jänner bis 31. März 2007 gesetzt habe, um beurteilen zu können, ob bereits "Arbeitsleistungen" iSd Rsp des VwGH vorgelegen haben:
Im vorliegenden Fall hat der Bf in seiner Berufung dargelegt, dass er im entscheidungsrelevanten Zeitraum "lediglich Vorbereitungshandlungen und Sondierungsgespräche für einen eventuellen, zukünftigen Markteintritt als Selbständiger" stattgefunden haben und er erst "nach Aufnahme der tatsächlichen Tätigkeit ab 01.04.2007" Einnahmen und Umsätze erzielt habe. Die belangte Behörde hat sich aber trotz dieses Vorbringens des Bf, das offensichtlich darauf abzielt, dass er im fraglichen Zeitraum (noch) nicht selbständig erwerbstätig war, sondern nur Vorbereitungshandlungen für die "zukünftig" zu entfaltende Tätigkeit gesetzt habe (auch das Vorbringen, der Gewerbeschein habe in diesem Zeitraum "zum Erhalt der hiefür möglichen Beratungsleistungen" gedient, indiziert, dass der Bf damals noch nicht aktiv Akquisitionstätigkeiten verrichtet habe), nicht ausreichend mit der Frage, ob überhaupt schon eine selbständige Erwerbstätigkeit vorlag, also ob der Bf durch das Anbieten seiner gewerblichen Leistung nach außen in Erscheinung getreten ist, auseinandergesetzt, etwa durch Anforderung von und Einsichtnahme in die Unterlagen betreffend die Geschäftsumsätze von Jänner bis März 2007. Allein daraus, dass die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide des Bf für das (gesamte) Jahr 2007 ein Einkommen bzw Umsätze ausweisen, durfte sie in Anbetracht dieses Vorbringens nicht schließen, dass der Bf im gegenständlichen Zeitraum (schon) selbständig erwerbstätig war. Auch das Vorliegen einer Versicherungspflicht nach dem GSVG sagt nicht unbedingt etwas über eine selbständige Erwerbstätigkeit im oben genannten Sinne aus, tritt eine solche doch gem § 2 Abs 1 Z 1 GSVG iVm § 2 Abs 2 Wirtschaftskammergesetz 1998 bereits mit der Anmeldung des Gewerbes und der damit verbundenen Mitgliedschaft in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ein.