VwGH: Berufsunfähigkeitsrente nach der Rechtsanwaltsordnung (iZm pathologische Spielsucht und Begehung von Straftaten)
Ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente kann nicht darauf gestützt werden, dass ein Antragsteller infolge der Begehung von Straftaten seinen Beruf wegen eines durch die Straftaten bedingten Verlustes der Vertrauenswürdigkeit nicht mehr ausüben kann
§ 50 RAO, § 5 RAO, § 6 Abs. 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien
GZ 2010/06/0196, 22.02.2012
VwGH: Die Rechtsfrage, ob der Bf infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig war, hat die belangte Behörde auf Grund der vorliegenden Sachverständigengutachten und des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien beurteilt und ist zum Ergebnis gelangt, dass der Bf trotz gegebener pathologischer Spielsucht geistig und körperlich in der Lage gewesen sei, den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben.
Der Bf vermeint nun, dass diese Rechtsansicht der belangten Behörde mit den eingeholten Gutachten nicht in Einklang zu bringen sei. Diese Ansicht wird vom VwGH nicht geteilt: Die Sachverständige Dr. B, die ihre Untersuchungen am 10., 19. sowie am 26. März 1999 und daher zeitlich nah zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verzichtes und zu einem Zeitpunkt durchführte, wo sich die Krankheit des Bf am Höhepunkt befand und besonders stark ausgeprägt war, stellte beim Bf das Vorliegen aller zehn diagnostischen Kriterien für pathologisches Spielen fest. Ungeachtet dessen sei sich der Bf, so die Sachverständige in ihrem Gutachten, zu jeder Zeit seiner eingegangenen Risiken bewusst gewesen. Kraft seiner hohen intellektuellen Begabung müsse auch davon ausgegangen werden, dass dem Bf die Tatsache des Vorliegens eines pathologischen Verhaltens bewusst gewesen sei und er Hilfe in Anspruch hätte nehmen können in der Weise, dass er sich zB einem Psychotherapeuten anvertraut hätte. Der Bf sei zu jedem Zeitpunkt in der Lage gewesen, das Unrecht seines Handelns einzusehen, und auch grundsätzlich in der Lage, nach dieser Einsicht zu handeln. Zu der (vom Strafgericht aufgetragenen) Gefährlichkeitsprognose führte die Sachverständige aus, es sei davon auszugehen, der Bf werde sich auf Grund seiner Einsichtsfähigkeit in die Zusammenhänge seines entwickelten pathologischen Spielverhaltens einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen und nicht mehr Gefahr laufen, neuerlich ähnlich geartete strafbare Handlungen zu setzen. Dieses Gutachten der Sachverständigen Dr. B bildete auch die Grundlage für die Beurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Bezug auf die Zurechnungsfähigkeit des Bf. Das Landesgericht für Strafsachen Wien bejahte das Vorliegen der Zurechnungsfähigkeit im Hinblick darauf, dass der Bf insbesondere beim "Griff auf fremdes Vermögen" ganz bewusst diese Entscheidung getroffen hätte und es ihm auch möglich gewesen wäre, sich anders zu verhalten. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Landesgericht für Strafsachen aus, dass dem Bf zu jeder Zeit seine Treuhandverpflichtungen bewusst gewesen seien. In der irrigen Vorstellung, er könne mit Hilfe der Treuhandgelder sein wirtschaftliches Desaster abwenden, habe er sich - im Wissen um seinen Befugnismissbrauch - entschlossen, die ihm zur Verwaltung und sicheren Veranlagung übergebenen Treuhandgelder für seine Spekulationsgeschäfte zu verwenden, wobei er bezüglich des Vermögensnachteils zumindest - dies auch im Hinblick auf seine bisher erlittenen Verluste - mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Die Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit auf Grund der pathologischen Spielsucht wurde in weiterer Folge vom Strafgericht auch als mildernd bei der Strafbemessung gewertet.
Wenn die Beschwerde dagegen vorbringt, die Spielsucht bewirke, dass der Erkrankte seine Handlungen suchtbedingt und nicht rational setze, so kann diese allgemeine Aussage jedenfalls nach dem Vorgesagten nicht auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragen werden. Auch der Sachverständige Dr. H, dem bei seiner Untersuchung des Bf am 25. Jänner 2008 das Gutachten Dris. B und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur Verfügung standen, kam zum Ergebnis, dass der Bf zu jedem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, das Unrecht seines Handelns einzusehen, und er auch grundsätzlich in der Lage gewesen wäre, nach dieser Einsicht zu handeln. Aus der Stellungnahme Dris. PB vom 14. Juni 1999, der über Auftrag des Bf eine Stellungnahme zum Gutachten der Dr. B erstattete, ist für den Standpunkt des Bf nicht zu gewinnen, weil sich Dr. PB darin allgemein mit dem Hilfesuchverhalten bei pathologischem Spielverhalten auseinandersetzte. Auch Dr. S kommt in seinem vertrauensärztlichen Gutachten vom 20. Juli 2001 zu keinen anderen gutachtlichen Schlussfolgerungen als Dr. B.
Der Bf bestreitet nicht den Verlust seiner Vertrauenswürdigkeit infolge seiner strafrechtlichen Verurteilung, schreibt jedoch diesen Vertrauensverlust ausschließlich seiner Spielsucht zu und vertritt die Ansicht, auf Grund dieses spielsuchtbedingten Verlustes seiner Vertrauenswürdigkeit berufsunfähig zu sein. Die belangte Behörde vertritt dazu im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die Vertrauenswürdigkeit sei eine rechtliche Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte: Ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente könne nicht darauf gestützt werden, dass ein Antragsteller infolge der Begehung von Straftaten seinen Beruf wegen eines durch die Straftaten bedingten Verlustes der Vertrauenswürdigkeit nicht mehr ausüben könne.
Auch diese Ansicht ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil der Verlust der Vertrauenswürdigkeit ausschließlich auf das vorsätzliche - wie bereits dargestellt, hatte der Bf nach dem Gutachten Dris. B beim "Griff auf fremdes 'Vermögen" ganz bewusst diese Entscheidung getroffen - und strafgesetzwidrige Verhalten des Bf zurückzuführen ist und somit weder auf einen Berufsunfähigkeit begründenden Umstand zurückgeht noch auf Berufsunfähigkeit des ansonsten körperlich und geistig zur Berufsausübung befähigten Bf schließen lässt.