OGH: Zur Anrechnung des Mitverschuldens des Gehilfen
Besteht ein Schuldverhältnis, wird dem Geschädigten das Verhalten seiner Gehilfen in der Regel analog § 1313a ABGB zuzurechnen sein; außerhalb eines Schuldverhältnisses muss sich der künftig Geschädigte das Verschulden einer Hilfsperson nur dann analog § 1315 ABGB wie eigenes anrechnen lassen, wenn die Hilfsperson habituell untüchtig ist oder der Geschädigte deren Gefährlichkeit kennt, sowie bei Auswahl- oder Überwachungsverschulden
§§ 1295 ff ABGB, § 1304 ABGB, § 1315 ABGB, § 1313a ABGB
GZ 8 Ob 21/11p, 28.02.2012
OGH: Dem Einwand der Beklagten, die Erstklägerin habe das Verhalten ihres Ehegatten iSd § 11 PHG zu vertreten und müsse sich dessen Verschulden anrechnen lassen, kann nicht gefolgt werden.
Der OGH hat sich in jüngerer Zeit bereits wiederholt mit der Gehilfenhaftung auf Seiten eines schuldlos Geschädigten in (analoger) Anwendung des § 1304 ABGB befasst und sich jenen Lehrmeinungen angeschlossen, die für eine „Gleichbehandlung“ von Schädiger- und Geschädigtenseite eintreten. Notwendige Folge der gebotenen Gleichbehandlung von Schädiger- und Geschädigtenseite ist, dass in beiden Fällen zwischen Schädigung im Schuldverhältnis und Schädigung außerhalb eines solchen zu unterscheiden ist. Im erstgenannten Fall besteht für beide Seiten eine Sonderbeziehung, die eine auf Erfüllung und Sorgfalt ausgerichtete Vertrauenslage des Kontaktpartners begründet und besonders schutzwürdig ist, weshalb dem Geschädigten das Verhalten seiner Gehilfen in der Regel analog § 1313a ABGB zuzurechnen sein wird.
Außerhalb eines Schuldverhältnisses muss sich der künftig Geschädigte das Verschulden einer Hilfsperson nur dann analog § 1315 ABGB wie eigenes anrechnen lassen, wenn die Hilfsperson habituell untüchtig ist oder der Geschädigte deren Gefährlichkeit kennt, sowie bei Auswahl- oder Überwachungsverschulden. Selbst wenn der Schuldtragende als „Bewahrungsgehilfe“ anzusehen wäre, dem der Geschädigte seine verletzten Güter anvertraut hatte, ist ihm sein Verschulden jedenfalls dann nicht wie eigenes anzurechnen, wenn die Voraussetzungen des § 1315 ABGB nicht vorliegen.
Soweit sich die Beklagte auf eine Erstreckung von Schutzwirkungen des Vertrags zwischen Produzent und Händler auf den Endabnehmer und die in seinem Betrieb mitarbeitenden Personen bezieht, verkennt sie die Rechtslage. Solche Schutzwirkungen können zu ihrer eigenen Haftung ex contractu gegenüber dem in den Schutzbereich einbezogenen Dritten führen, aber nicht umgekehrt vertragliche Schutzpflichten des Dritten gegenüber der Beklagten begründen.
Unstrittig bestand im vorliegenden Fall keine Vertragsbeziehung zwischen der Erstklägerin und der Beklagten. Die Erstklägerin müsste sich das Verschulden ihres Ehegatten daher grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB anrechnen lassen; ihm müsste habituelle Untüchtigkeit im Umgang mit Traktoren vorzuwerfen sein, oder die Erstklägerin müsste bewusst eine gefährliche Person ausgewählt haben. Beides ist weder aus dem Vorbringen, noch aus den Feststellungen abzuleiten.